Ein buntes Kleid aus Worten:  „Dem Wort <-> dem Icon <-> der Sozioplastik Raum geben!“

Die SozialPlastik ist eine überlebensgroße Figur, geschaffen im Sommer 2021 von der Nottulner Künstlerinnen-Gruppe „Blauer Kreis” (Andrea Aupers, Veronika Dunkel-Steinhoff, Beate Eichmeyer, Katja Enseling, Marion Tibroni) und weiteren fleißigen Händen. Konzipiert wurde das Kunstprojekt von Andrea Aupers und gefördert mit Mitteln des Landes NRW.
In Anlehnung an Josef Beuys bezeichnet die Künstlerinnen-Gruppe die Figur übrigens nicht als Skulptur, sondern als Sozialplastik, wobei der soziale Aspekt des Projekts in der Entstehungsgeschichte der Figur begründet liegt.
Bei ihrer Herstellung bekamen die Nottulnerinnen und Nottulner tatkräftige Unterstützung von der Firma Humberg. Sie schweißte einen kreuzförmigen Stahlkern zusammen, der das Grundgerüst der Plastik bildet. Das Grundgerüst  wurde mit Maschendraht und Pappmaschee aus Zeitungspapier Mehl, Kleister und Wasser verkleidet und bekam auf diese Weise eine menschlich anmutende Gestalt.
Dem Vorbild von Joseph Beuys folgend arbeitete die Gruppe ganz ohne Vorgaben.
Eingekleidet wurde die an eine Frau erinnernde Figur mit bunten Zetteln, die zuvor mit Worten oder mit Symbolen beschrieben worden sind. Sie wurden auf die Figur geklebt und mit Lack haltbar gemacht. Alle Nottulnerinnen und Nottulner waren aufgerufen, sich an der Aktion „Dem Wort <-> dem Icon <-> der Sozioplastik Raum geben!“ teilzunehmen und so die als Gemeinschaftsprojekt geplante Aktion zu vollenden. Dazu wurde die Skulptur vom 26. August bis zum 29. August 2021 an fünf verschiedenen Orten in Nottuln (Pfarrkirche St. Martin, Stiftsbuchhandlung Esplör, Einrichtungshaus Ahlers, Hagebaumarkt Frieling und Mühle Zumbülte) ausgestellt. 

Ihren endgültigen Platz bekam die SozialPlastik am 11. Dezember 2021 am Corona-Gedenkort an der Bodelschwinghstraße/Ecke Nikolaus-Groß-Straße in Nottuln.   


 

Die Akteur:innen


 

Das Making-of in Bildern


 

Das Plakat zur Ausstellung „Partizipatorisches Kunstprojekt”


 

Der Flyer zur Ausstellung


 

Die SozialPlastik in bewegten Bildern


 

Die Ausstellungseröffnung am 27. August 2021

„Am Anfang war das Wort” 
Impulsvortrag von Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes

„Im Anfang war das Wort“ – Was aber, steht am Ende?

Im Anfang war das Wort. – Und was steht am Ende?

Wir erleben gerade ein Ende: Das Sterben der Volkskirche, den Tod der bürgerlichen Gesellschaft, das Ende einer Welt, in der es lange hieß „weiter so - höher, größer, mehr…“.

Manches Liebgewonnene soll und muss in Würde sterben – solange das noch möglich ist: Die römisch-katholische Kirche stirbt als Volkskirche in Deutschland. Das können wir leugnen, wir können die Augen davor verschließen – kommen wird das Ende der Volkskirche trotzdem. Am Priesternachwuchs, an den Ordensberufungen haben wir das lange schon gesehen, an den unglaublichen Mengen von Kirchenaustritten, die fast täglich über meinen Schreibtisch gehen, den Skandalen, die die  Kirche in den letzten Jahrzehnten durchgeschüttelt haben und die noch lange nicht zu Ende sind.

Die bürgerliche Gesellschaft, die in Nottuln noch sichtbar und spürbar ist, die sich engagiert und die kraftvoll ist, Geld spendet und ehrenamtlich arbeitet. Sie wird getragen von vielen Worten: Lob und Anerkennung, Artikeln in der Zeitung und auf Webseiten oder in Reden ausgesprochener Ansporn und Ermutigung.

Aber das Streben nach Höherem, Schönerem und mehr wird ein Ende haben müssen. Mehr Bauland, mehr Gewerbe, höhere Einnahmen, aber auch mehr Müll, mehr Flächenversiegelung, mehr Hochwasser… Es muss eine Ende haben. Wir werden miteinander eine neue Genügsamkeit entdecken und Bescheidenheit wieder zur Tugend erheben.  

Es ist höchste Zeit, dass wir uns nicht nur mit dem menschlichen Sterben auseinandersetzen, sondern uns auch mit dem eigenen Sterben beschäftigen. Aber die Versuchung ist groß, diesen Prozess zu verdrängen, zu verleugnen oder nach hinten zu verschieben.

Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das erste Wort, das Wort, das am Anfang stand, das bleibt.

Wir müssen beginnen, uns selbst ernst zu nehmen, uns als Gemeinde, als Stiftsdorf Nottuln, wieder zu spüren – als Gemeinschaft, als Frauen und Männer, die sich auf den Weg machen, diese wichtige Aufgabe zu entdecken. Wir werden uns verändern müssen.

„Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“

Die Sprache hat großen Einfluss auf uns und unsere Wahrnehmung: Unser Denken und unser Handeln werden schon von wenigen, einzelnen Begriffen geleitet. Das macht uns anfällig für Manipulation. Andere können uns zum Beispiel durch bestimmte Wörter gezielt beeinflussen. Und oftmals sind wir uns über den Einfluss der Worte jedoch gar nicht bewusst.

Hirnforscher und Psychologen finden außerdem immer mehr Hinweise darauf, dass wir uns mit unserer Muttersprache bestimmte Denkmuster aneignen, die uns ein Leben lang begleiten und prägen. Unsere Muttersprache beeinflusst also im großen Maße unsere Weltansicht

Einige Menschen haben das Talent, andere mit ihren Worten zu fesseln. Da wären wir auch schon bei dem Thema Metaphern und Bilder. Metaphern übertragen eine konkrete Erfahrung auf ein abstraktes Konzept. Sie stehen an der Schnittstelle zwischen Wahrnehmen, Handeln und Denken. Sie wirken im Verborgenen. Wir bemerken nicht, wie groß ihre Macht ist. Metaphern sind viel mehr als rhetorische Figur und poetischer Zuckerguss. Das haben auch Politiker bzw. deren Redenschreiber:innen entdeckt und machen sich diese Entdeckung zunutze. Denken wir zum Beispiel an die Wort-Neuschöpfung „Euro-Rettungsschirm“: Das weckt die Assoziation, dass man einen Staat schützt, der unverschuldet in ein Unwetter geraten ist. Ganz anders verhält es sich allerdings mit dem englischen Begriff „bail out“, der übersetzt etwa „herausholen“, „auslösen”, aber auch „auf Kaution aus dem Gefängnis holen“ bedeutet und ganz andere Assoziationen hervorruft als der deutsche Begriff. Er legt nahe, dass der von der Pleite bedrohte Staat selbst an seiner misslichen Lage schuld, womöglich gar kriminell ist. George Orwell war bereits Mitte der Achtzigerjahre der Ansicht: Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken.

Wenn wir beispielsweise ein Tabuwort aussprechen oder fluchen, dann löst das bei uns körperliche Stresssymptome aus. Euphemismen, die schönen oder beschönigenden Worte mit gleicher Bedeutung haben nicht diese Folge. Wissenschaftler nehmen an, dass der ausgelöste Stress durch unsere Kindheit bedingt ist. Kinder lernen nämlich noch bevor sie die eigentliche Bedeutung der bösen Wörter kennen, dass die Eltern wütend werden, wenn sie sie aussprechen. Im Streit werden Wörter zu Waffen. Wörter können als Schwert eingesetzt werden, aber auch tief verletzen.

Auch Schönreden funktioniert: Studien ergaben außerdem, dass allein das, was auf der Beschreibung von Lebensmitteln geschrieben steht, Einfluss auf unser Geschmackserlebnis ausübt. Ein exotischer Name beispielsweise verleiht einem Getränk ein frisches Aroma; es schmeckt exotischer. Auch ein Kuchen schmeckt besser, wenn er „traditionell“ oder „nach Großmutters Rezept“ gebacken wurde. Unsere Wahrnehmung lässt sich also stark von Begriffen leiten.

Hören wir Wörter wie „Parfüm“ oder „Kaffee“ wird im Gehirn das Areal angeregt, das für die Geruchsverarbeitung zuständig ist. Wenn in einem Text Bewegungen beschrieben werden, wird der Motor-Kortex aktiviert. Auf diese Weise kann man sich sogar selbst manipulieren: Sagt man „greifen“, während man nach etwas greift, werden die Bewegungen insgesamt flüssiger.

Laut einer Studie von Psychologen halten Menschen Aussagen von anderen für weniger glaubwürdig, wenn sie von Menschen mit einem ausländischen Akzent stammen – eine tragische Prägung.

Ob Brücken „elegant“ oder „gewaltig“ sind, hängt vor allem von der Sprache ab, die man spricht. Deutsche Probanden einer Studie verbanden mit einer Brücke weibliche Eigenschaften (die Brücke), wohingegen Spanier einer Brücke eher männliche Attribute zuschrieben. Das grammatikalische Geschlecht beeinflusst die Betrachtung von Dingen also erheblich.

Wer seine Angstgefühle in Worte fassen kann, kommt besser über die Ängste hinweg. Das ist das Ergebnis einer Studie mit Spinnen-Phobikern. Während die Patienten mit einer Spinne konfrontiert wurden, sollten einige von ihnen ihre Ängste in Worte fassen. Diejenigen, die das taten, hatten später weniger Stresssymptome, wenn sie einer Spinne ausgesetzt wurden und wagten sich näher an die Spinne heran.

Der Name eines Schülers | einer Schülerin beeinflusst seinen oder ihren Ruf. Schüler:innen mit dem Namen Kevin oder Mandy werden laut einer Umfrage von Lehrern bereits von Anfang an als tendenziell leistungsschwächer angesehen als Kinder namens Alexander oder Sophie. Auch Menschen mit komplizierten Familiennamen werden einer Studie zufolge als eher unsympathisch angesehen. Anscheinend bevorzugen wir Informationen, die das Gehirn leicht verarbeiten kann.

Menschen treffen in einer Fremdsprache ihre Entscheidungen rationaler. Eine fremde Sprache distanziert vom intuitiven Denken, weil sie nicht so einen emotionalen Nachklang hat wie die Muttersprache.

Und die Kunst?

„Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, hieße sie ‘Wulst‘“ – ein Ausspruch, den meine alte Kunstlehrerin uns mitgegeben hat. Ein wahres Wort? Auch hier zeigt sich, dass Worte verletzen können und uns auf den Holzweg bringen. Ist nicht das künstlerische Wollen eine Triebfeder zum Können. Ist nicht jeder Ausdruck von Reflexion, von Verwandlung, von Transformation auch zugleich ein künstlerischer Ausdruck? Angesichts der ausgestellten Kunstwerke möchte ich diesem Gedanken ein deutliches und großes JA entgegensetzen.

Im Anfang ist das Wort – was steht am Ende?

Das Ende ist ein Anfang – unser Anfang. Es bedeutet, diesen Ort immer wieder neu zu einer lebendigen Lebensgemeinschaft zu machen. Ihn durch unsere eigene, sprachliche Verwandlung zu gestalten und lebenswert zu machen.

Wie wird die Zukunft aussehen?

Ich weiß es nicht.

Vielleicht wird sie vielsprachig sein, sie wird materiell ärmer sein, sie wird kreativ und produktiv sein, klimaneutral und umsichtig, interreligiös, achtsam und interkulturell. In jedem Fall ganz anders. Intellektuelle, Politiker, Künstler… wir, Sie und ich, sind gemeint, gefragt, gefordert.

Es wäre tragisch, wenn wir der alten Welt und Ihren Worten hinterherlaufen – so verständlich dieser Impuls ist: „Es war doch immer so schön“. Ja, das war es. Jetzt wird, jetzt ist es anders. Anders schön.

Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Im Anfang war das Wort

Im Ende bleibt das Wort.


 

Die SozialPlastik und ihre Entstehung - abgedruckt in den Westfälischen Nachrichten

Hier erwartet Sie ein kleiner Pressespiegel. Um die Artikel zu lesen, klicken Sie einfach auf die Links.

Die Erinnerung wachhalten (30. November 2021): → https://bit.ly/3y4ttyy 

Sozialplastik soll dauerhaften Platz an Corona-Gedenkort erhalten (30. August 2021) → https://bit.ly/3GriPok  

Nottulnr sollen Figur ankleiden (20. August 2021)  → https://bit.ly/3IwCapV 

Jeder hat Schöpferkraft (22. Juli 2021)    → https://bit.ly/3DxysZz 


 

„Dynamische Weiterentwicklung“: Nun ist der Corona-Gedenkort erneut vollkommen (28. Juni 2022)

„Dynamische Weiterentwicklung“: Nun ist der Corona-Gedenkort erneut vollkommen (28. Juni 2022)Bereits kurz nach der Einweihung des Corona-Gedenkortes im Nottulner Süden im Dezember 2021 erfuhr die SozialPlastik durch unbekannte Täter irreversible Schäden und wurde im Januar 2022 wieder abgebaut. 

Nach nun fast sechs monatiger Abwesenheit kehrt die Skulptur zurück. Komplett aus Stahl geformt und mit einem komplett anderen Aussehen. Ihre Intention indes, aus der heraus sie im Sommer 2021 geschaffen wurde, bleibt dieselbe: Ein Symbol zu sein für das Leben, die Lebendigkeit und die menschliche Schaffenskraft.
Am 28. Juni 2022 wurde die Skulptur, die unter anderem mit viel Hilfe und auch finanzieller Unterstützung der Firma Humberg sowie von Andrea Aupers selbst neu angefertigt werden konnte, mit einem öffentlichen Picknick offiziell eingeweiht. 

„Beide Pole – Tod und Lebendigkeit sind wieder installiert”

„Der installierte Corona Gedenkort ist ein Ort des Innehalten und der Kontemplation. Zu dieser Inszenierung gehörte auch der Gegenpol zum Tod – das Lebendige, die Schöpferkraft Nottulns in Form der SozialPlastik.
Diese SozialPlastik mit vielen Nottulner Händen geschaffen, wurde nun ganz lebendig mittels Aggressionspotential sofort zerstört.
Die wasserdichte Haut hat irreparable Blessuren erfahren.
Eine aktive Nottulnerin äußerte sich dazu wie folgt: ,Auch der Akt der Zerstörung ist ein kreativer Akt!'
Dieser Akt der Zerstörung hat motiviert, weiter zu erschaffen. Deshalb haben wir – die Fima Humberg Baumschutz und Andrea Aupers im freudigen Einverständnis mit dem Bürgermeister – uns entschlossen eine „Dynamische Weiterentwicklung“ zu gestalten. Dieser Titel hat sich angeboten.
Denn der Titel ist eine Metapher auch zur Weiterentwicklung des Bewusstseins hin zu Liebe und Frieden, dies ist bereits im Ätherfeld der Erde zu spüren.

Wie unten so oben – ein universales Gesetz (Smaragdtafeln/ Thoth). Das universale Gesetz „wie im Großen, so im Kleinen“ ist eben gültig.
Kreative und das Schöpferbewusstsein nutzen das Chaos und Zerstörung, um Neues zu schaffen, wiederum im Sinne von Joseph Beuys.
Schnell war ein Entwurf und eine Idee geboren, natürlich diesmal gänzlich in Stahl, damit die gewisse Aggressionsschübe besser zu verschmerzen sind.

Das Skelett der SozialPlastik wurde genutzt, um die „Dynamische Weiterentwicklung“ zu kreieren. Die Dynamische Erweiterung des vorhandenen „Skeletts" wurde mittels Stahlresten und professionell angefertigtem Kopf, Händen und Peace-Zeichen erhöht.
Die Symbolik spiegelt Themen Nottulns wieder, wie St. Martin, Bischofshut auf dem Kopf und ein Zitat „rotes Tuch“ sowie die starke Friedensbewegung in Nottuln dargestellt durch das Peacezeichen.
Den Entwurf habe ich im Januar skizziert, da war bei mir noch nicht die 400- Jahrfeier Martinimarkt angekommen und den Krieg gab es in meiner Welt auch noch nicht – so arbeitet die geistige Welt mit den Kreativen!
Da die Intuition so wundervoll funktionierte, hat mich motiviert, ein drittes Auge in das Gesicht mit einzuarbeiten. Wie man unschwer erkennt, gibt es eine männliche und eine weibliche Seite, wenn diese in jedem Menschen harmonisch zusammenarbeiten, gibt es mehr Frieden und jeder Mensch ist intuitiver bewusst und jeder kreiert. Eine „Win-Win”-Situation.
Ich habe die Skizzen und Pläne für Kopf und Hände im Maßstab 1: 1 gezeichnet, Michael Humberg hat die CNC- Fräse angeworfen, geschweißt haben Franz und Michael Humberg mit ihrem Kollegen Christoph. Ralph Humberg hat dann zu unserer Freude die Plastik sandgestrahlt, damit die Lackierarbeiten doch einen Hauch professionell anmuten, diese haben mit Leidenschaft Veronika Dunkel-Steinhoff und ich umgesetzt. Alle Beteiligten haben diese „Dynamische Weiterentwicklung“ ehrenamtlich mit Freude, Lachen und Schweiß geschaffen -Zeit, Know-how und Materialien investiert. Und Christoph Humberg hat für uns alles organisiert.

Der installierte Corona Gedenkort, ein Ort des Innehaltens und der Kontemplation, ist nun wieder ,vollkommen':  Beide Pole – Tod und Lebendigkeit sind wieder installiert. ”

Nottuln im Juni 2022 

Andrea Aupers


 

Das Making-of in Bildern