Lotte Bach

„Ach, wer wird finden ein wackeres Weib“

(Prov. 31, 10-31)

Der Text aus dem Buch der Sprüche im Alten Testament wurde von Lotte Bach mit gestickten Illustrationen auf einem Wandbehang verarbeitet. Dabei drängen sich auch in manch anderer Hinsicht Assoziationen auf, wie schon Sabine Heitmeyer-Löns in ihrer Dokumentation (Lotte Bach,Textiles Kunsthandwerk aus sechs Jahrzehnten, 1992) zum künstlerischen Schaffen von Lotte Bach feststellt.

Lotte Bach – eng verbunden mit den Baumbergen und Schapdetten – erblickt am 9. Februar 1908 in Schwerte als fünftes Kind eines Finanzbeamten das Licht der Welt. Im Jahr 1912 zieht die Familie Bach nach Münster um, um hier den Kindern eine bessere Ausbildung zuteil werden zu lassen. Es folgen glückliche Kinderjahre – Lotte Bach selbst schätzt ihr intaktes Elternhaus als prägendes Fundament für ihre Entwicklung und ihren Lebensweg hoch ein. Sie besucht die Antoniusgrundschule und wechselt 1917 zur Kath. Höheren Mädchenschule – der späteren Annette von Droste Hülshoff- Oberschule.

Krankheitsbedingt und aus Angst um ihre Gesundheit geht sie 1923 – der besseren Luft wegen – für ein Jahr in das Pensionat der Englischen Fräulein nach Bingen. Hier wird ihr in recht progressiver Weise und in „guter Qualität“ frauentypische Allgemeinbildung vermittelt: Haushaltsführung, Kinderpflege, Gartenbau, Sprachen und Kunstgeschichte.

In den Jahren von 1923 bis 1932 absolviert Lotte Bach ihre Ausbildung zur Stickerin und Paramentikerin an der Städtischen Schule für Handwerk und Kunstgewerbe in Münster, unterbrochen von einigen Studiensemestern an den „Kölner Werkkunstschulen“. In ihrer Studienzeit in Münster bildet sie mit Hildegard Fischer und Edith Ostendorf, späteren Paramentikern mit ausgezeichnetem Ruf, ein kreatives und enges Team in der Textilklasse von Joos Jasperts, welches durch Leistungen und Aufgeschlossenheit auffiel. Neben ihrer Ausbildung hörte sie auch kunsthistorische Vorlesungen für Priesteramtskandidaten bei Prof. Hölkers, eine ehrenvolle wie ungewöhnliche Erlaubnis. Aus den lehrreichen Jahren in Münster rührt Lotte Bachs besondere Vorliebe für die Kombination von bildlicher Darstellung und Schrift.

1929 verlässt sie Münster vorübergehen, um ihre Studien in der Paramentenklasse Ferdinand Niggs in den Kölner Werkschulen fortzusetzen. Es folgen nun die für sie eindeutig wichtigsten und prägenden Jahre.

1932, nach ihrem Studium, welches zu jener Zeit zwar strenge Aufnahmeprüfungen, aber keine Abschlussprüfungen kannte, richtet sie sich mit ihrer älteren Schwester Ursula Bach-Wild, einer gelernten Goldschmiedin und Ziseliermeisterin, im Münster eine Werkstatt mit Ladenlokal ein. Im gleichen Jahr bemüht sich Lotte Bach bei der Handwerkskammer um die Ablegung der Meisterprüfung. Dort verlangt man jedoch ein vorheriges Ableisten der Gesellenjahre, sodass Lotte Bach es vorzieht, sich lieber direkt selbstständig zu machen.
1939 tritt dann die Handwerkskammer an sie heran, mit der Bitte, die Prüfung abnehmen zu dürfen – sie besteht mit Auszeichnung.

In den Wirren des Krieges zieht sie mit ihrer Schwester nach Appelhülsen, wo sie auf Haus Kückeling einige Räume anmietet. 1953 erfolgt der Umzug in das von ihr selbst erbaute Haus am Hang der Baumberge in Schapdetten, in dem sie zeitweilig mehrere Mitarbeitende beschäftigt.

Es folgen schaffensreiche Jahre als Künstlerin und Kunsthandwerkerin. Lotte Bach nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil: Unter anderem bereits 1931 stellt sie im Kreuzgang des Münsteraner Doms aus, 1934 im „Museum van Nieuwe Religieuse Kunst“ in Utrecht, 1956 im „Palazzo Ponteficio Lateranense“ im Rom, um nur einige Beispiele zu nennen. Natürlich zeigt sie ihre Arbeiten auch in vielen regionalen Ausstellungen wie zum Beispiel noch 1991 im Heimathaus Telgte und 1992 im Hamalandmuseum Vreden.
Sie ist Mitglied in mehreren Künstlervereinigungen, besondere Würdigung erfährt sie durch die Berufung als Lehrbeauftragte an die Fachschule für Kunsthandwerk und die Pädagogische Hochschule in Münster.
Sie ist eine einfache und bescheidene Künstlerin – oder wie sie sich selber bezeichnet – eine Kunsthandwerkerin. Zu ihren Hauptmotiven zählen überwiegend religiöse Darstellungen. Über 250 kunstvolle Textilien entstehen für den sakralen und profanen Gebrauch, vom großflächigen Hungertuch (insgesamt etwa 15 Stück) bis zum briefmarkenkleinen Stickbild auf Japanpapier.
Die Tradition des Stickens von Hungertüchern beispielsweise erfährt durch sie eine deutliche Neubelebung. Allein im Raum Nottuln entwirft sie zwei dieser Tücher: 1980 für Schapdetten und noch 1995 für Appelhülsen, wobei sie zum Teil selbst stickt oder Laienstickerinnen beratend zur Seite steht.

1980, zu ihrem 80 Geburtstag, wird sie mit der höchsten Auszeichnung des Bistums Münster, der Paulusplakete, geehrt.

Am 13. Juni 1995 stirbt Lotte Bach im Alter von 87 Jahren. In Würdigung ihres umfangreichen Schaffens hat die Gemeinde Nottuln 1997 beschlossen, die Straße zu ihrem Haus offiziell nach ihr zu benennen.

 

(Text: Christian Wermert: Lotte Bach. Zeitgenossinnen. Frauengeschichte(n) aus den Kreis Coesfeld. Nottuln 1998. S. 4-5.
Quellen: Heitmeyer-Löns, Sabine: Lotte Bach. Textiles Kunsthandwerk aus sechs Jahrzehnten. Vreden 1992. Gemeindearchiv Nottuln)