Betreff
Antrag der CDU-Fraktion vom 07.07.2021
"Einführung von reinen Bedarfsfahrten in den Außenbereich im örtlichen Linienverkehr"
Olfener Modell extralight - ökonomisch, ökologisch, bedarfsgerecht
Vorlage
105/2021
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

Vorschlag der CDU – Fraktion:

Die (nach-)mittäglichen Fahrten auf den Linien 680, 681, 682 und 685, die überwiegend durch den Außenbereich verkehren, werden in Absprache mit den zuständigen Stellen außerhalb geschlossener Ortschaften vollständig auf Bedarfsbedienung umgestellt, d. h. Haltestellen im Außenbereich werden nur bei Aussteigern im Bus oder vorheriger (z. B. telefonischer) Anmeldung des Einstiegs angefahren, sofern durch die verkürzten Fahrzeiten bzw. -wege Kosten eingespart werden können.

 

Vorschlag der Verwaltung:

Der Antrag wird zur Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird beauftragt, Rücksprache mit den entsprechenden Stellen (Kreis Coesfeld, RVM, Verkehrsunternehmen, Bürgerbusverein Olfen) zu halten und über die eingeholten Informationen in einer nächsten Sitzung Bericht zu erstatten.


Sachverhalt:

Am 07.07.2021 ist der Gemeinde Nottuln ein Antrag der CDU - Fraktion zugegangen, der die Einführung von reinen Bedarfsfahrten in Außenbereichen des örtlichen Linienverkehrs begehrt (siehe Anlage 1).

 

Gefordert wird die (nach-)mittaglichen Fahrten auf den Linien 680, 681, 682 und 685, welche überwiegend im Außenbereich verkehren, außerhalb der geschlossenen Ortschaften vollständig auf Bedarfsverkehre umzustellen. Dadurch bestünde die Möglichkeit, Haltestellen nur nach Anmeldung (telefonisch, beim Fahrer) anzufahren, was zu verkürzten Fahrtzeiten, weniger Fahrtenkilometern und somit weniger Kosten führen würde.

 

Die Linien 680, 681, 682 und 685 werden derzeit sowohl für den Schulverkehr als auch Jedermannverkehr eingesetzt, um so die geringe Nachfrage außerhalb des Schulverkehrs besser bündeln zu können. In Anlage 2 sind die detaillierten Liniensteckbriefe der o.g. Linien aufgeführt, die u.a. Auskunft über Streckenverläufe, Bedienungszeiträume und -angebote, die gefahrenen Jahreskilometer und die Art der eingesetzten Fahrzeuge geben.

 

Das derzeitige Bedienungsangebot sowie die -zeiträume sind am Schulverkehr ausgerichtet. Die Bedienung erfolgt an Schultagen von Mo – Fr im Zeitraum von ~ 6.45 – 16.30 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen besteht kein Angebot. Die Anzahl der durchgeführten Fahrten pro Tag variiert je nach Linie zwischen 5 und 19 Fahrten. Die von den Linien insgesamt gefahrenen Kilometer im Jahr liegen zwischen 23.000 km (681) und 42.000 km (685). Jede dieser vier Linien wird in den aufgezeigten Bedienungszeiträumen von einem Standardlinienbus bedient (~12m Länge, 2,55m Breite, Gesamtkapazität max. 95 – 110 Personen). Aufgabenträger ist der Kreis Coesfeld, Betriebsführer der Regionalverkehr Münsterland (RVM), der die Fahrten an verschiedene Verkehrsunternehmen vergibt.

 

Als Grundidee des eingereichten Antrags dient das „Olfener Modell“. In 2013 wurde der bereits vorhandene Bürgerbusbetrieb in Olfen weiter an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst und auf eine bedarfsorientierte Bedienung umgestellt. Auf telefonische Anfrage (60-minütige Voranmeldung notwendig) holt der Bürgerbus die Bürger:innen direkt an einem Startpunkt im Außenbezirk (bspw. Wohnort) ab und bringt sie zu definierten Haltestellen in der Stadtmitte (zentrale Bezugspunkte wie etwa eine Arztpraxis). Auf der Rückfahrt erfolgt die Bedienung genau anders herum (Haltestelle – Haustür). Der Bürgerbus fährt nur, wenn Bedarf besteht - Leerfahrten und dadurch entstehende Kosten sollen so vermieden werden. Auch bei der Schülerbeförderung hat die Stadt Olfen ein neues bedarfsorientiertes System errichtet. Ab der vierten Unterrichtsstunde fährt der Schulbus bedarfsorientiert ausschließlich die Haltestellen der Kinder an, die sich im Schulbus befinden. Mittels der Olfen-Karte auf der die Informationen zu Ein- und Ausstieg der Kinder gespeichert sind, wird die optimale Routenführung über eine Software berechnet.

 

Grundsätzlich soll mit einer Einführung von Bedarfsverkehren das ÖPNV-Angebot ergänzt, verdichtet oder ersetzt werden. Der Einsatz dieser alternativen Betriebsform erfolgt meist unter Kostengesichtspunkten, um in Räumen und zu Zeiten schwacher Nachfrage eine ÖPNV-Grundversorgung aufrecht zu erhalten, da Bedarfsverkehre Teil der Daseinsfürsorge darstellen. Die Erfahrungen bezüglich eines Einsatzes von Bedarfsverkehren zeigen jedoch auch, dass neben Chancen, welche durch die Einführung eines bedarfsorientierten Angebotes entstehen können, auch Risiken bestehen. Potenziale bieten unter anderem die mögliche Erschließung neuer Fahrgastpotenziale sowie eine mögliche Kostenersparnis gegenüber der klassischen Linienbedienung. Diese kann jedoch durch eine zunehmende Angebotsnachfrage, einem erhöhtem Personalbedarf sowie steigender Mehrkosten auch in eine Kostensteigerung umschlagen. Auch besteht die Gefahr, dass Erwartungen an die schnellere Verfügbarkeit durch das neue Bedienungsangebot enttäuscht werden.

 

Bei der Umstellung auf Bedarfsverkehre muss unter anderem das zu verwendende Bedienungsmodell geklärt werden. Dabei lassen sich verschiedene Betriebsformen unterscheiden. Der Bedarfslinienbetrieb unterscheidet sich vom Linienbetrieb durch eine zeitliche Flexibilisierung. Streckenführung und Fahrplan sind zwar festgelegt, aufgrund einer niedrigen Anzahl von Fahrtenwünschen ist jedoch eine Anmeldung mit Angabe der Abfahrtszeit sowie Ein- und Ausstiegshaltestelle erforderlich. Der Korridorbetrieb als Kombination von Bedarfslinien- und Flächenverkehr bietet neben der zeitlichen auch eine räumliche Flexibilisierung an, basiert jedoch weiterhin auf einem Fahrplan(grund)gerüst. Wie beim Bedarfslinienbetrieb ist eine Anmeldung unter Angabe von Abfahrtszeit sowie Ein- und Ausstiegshaltestelle erforderlich; beim Ausstieg wird oftmals eine Haustürbedienung angeboten. Die flexibelste Betriebsform bildet der Flächenbetrieb, bei dem innerhalb definierter Bedienungsgebiete und -zeitfenster der Verkehr ausschließlich durch die Bestellungen der Fahrgäste bestimmt wird („kreuz-und-quer“). Ein- und Ausstieg kann an Haltestellen, aber auch direkt vor der Haustür erfolgen. Der Flächenbetrieb im ÖPNV unterscheidet sich durch die Fahrtwunschbündelung vom klassischen Taxiverkehr, da durch die gemeinsame Beförderung von Fahrgästen Wartezeiten und Umwege entstehen können. Bürgerbusse zählen überwiegend jedoch nicht zu den bedarfsgesteuerten Angebotsformen, da sie zwar mit ehrenamtlichem Personal und Kleinbussen, aber meist im fahrplangebundenen Linienbetrieb fahren.

 

Des Weiteren muss eine Entscheidung für ein entsprechendes Betreiberkonzept getroffen werden. Grundsätzlich bestehen drei Optionen bei der Auswahl eines Betreiberkonzeptes. Der Betrieb kann entweder durch Busunternehmen, Taxi- und Mietwagen, oder Kleinbus-Fahrdienste erfolgen, wobei jedoch auch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft berücksichtigt werden sollte. Der (zukünftige) Betreiber muss in der Lage sein, die Anforderungen an die Bedienung, jederzeit einwandfrei erfüllen zu können, sowie sicherstellen können, dass zu jeder Zeit die Mitnahme der Fahrgäste (schwankende Fahrgastzahlen vor allem jenseits des Schulverkehrs) gewährleistet ist. Prinzipiell bietet die Einführung von flexiblen Angebotsformen verschiedene Vorteile für die Verkehrsunternehmen, wie etwa der effizientere Einsatz von Fahrzeugen und Personal oder Kosteneinsparungen bei konstantem Angebotsniveau bei Vergabe an Taxiunternehmen/Fahrdienste. Derzeit ist der Betriebsführer der Regionalverkehr Münsterland (RVM), der die Fahrten an verschiedene Verkehrsunternehmen vergibt, die auf den entsprechenden Linien aktuell Standardlinienbusse einsetzen. Der Einsatz unterschiedlicher Fahrzeugformen wäre zwar denkbar, aus Kostengründen (Anschaffung sowie Vorhalten verschiedener Fahrzeugkategorien für die im Tagesverlauf sich verändernden Bedarfe), wahrscheinlich jedoch nicht realisierbar.

 

Das Thema Finanzierung wirft dahingehend weitere Fragen auf. Wie im Antrag bereits angeführt, sollen mit der Umstellung auf einen reinen Bedarfsverkehr am Nachmittag Kosten gespart werden. Derzeit werden die betroffenen Linien sowohl für den Schulverkehr als auch Jedermannverkehr eingesetzt, um so die geringe Nachfrage außerhalb des Schulverkehrs besser zu bündeln. Der Schulverkehr ist für den Großteil des Fahrgastaufkommens verantwortlich und wird nahezu vollständig durch den Schulträger finanziert (Übernahme der Betriebskosten/Fahrtickets). Der Schulverkehr bildet somit die wirtschaftliche Grundlage der Verkehrsunternehmen, die dadurch in der Lage sind ein ÖPNV-Grundangebot aufrechtzuerhalten (Daseinsvorsorge). Die Einführung von bedarfsgesteuerten Bedienformen bedeutet jedoch nicht, dass ein kostendeckender bzw. gewinnbringender Betrieb im Regelfall möglich ist. Es bedarf auch weiterhin hoher Zuschüsse seitens der öffentlichen Hand, da auch diese Form der Verkehre meist unwirtschaftlich sind. Weiterhin sind auch solche Kosten zu berücksichtigen, die mit der Umstellung vom Linienverkehr auf einen reinen Bedarfsverkehr anfallen, sowie daraus resultierende Folgekosten. Neben Kosten für die Ausrüstung der jeweiligen Busse mit entsprechender Hardware, kommen weitere Kosten für die Software (zur autom. Ermittlung der Fahrtziele/Haltestelle), deren Wartung und Bereitstellung sowie weitere Personalkosten (Disposition) hinzu. Dem gegenüber stehen die Ersparnisse, die möglicherweise durch die Anmeldung der jeweiligen Fahrtenwünsche erreicht werden, da sich dadurch die Fahrtzeiten verkürzen und weniger Fahrtenkilometer zurückgelegt werden. Insgesamt gilt dabei zu beachten, dass eine hohe räumliche und zeitliche Flexibilität die Angebotsattraktivität und damit die Nachfrage erhöht, was systembedingt jedoch eine geringere Fahrtenbündelung mit einer höheren Fahrleistung und damit verbunden Mehrkosten zur Folge hat. Umgekehrt gilt, dass eine geringe Flexibilität die Angebotsattraktivität und Nachfrage senkt, systembedingt jedoch zu einer höheren Fahrtwunschbündelung und niedrigerer Fahrleistung führt.

 

Aufgrund der komplexen Thematik und des hohen Abstimmungsbedarfs wird daher vorgeschlagen, zunächst Rücksprache mit den entsprechenden Stellen (Kreis Coesfeld, RVM, Verkehrsunternehmen) vorzunehmen, um die Machbarkeit dieses Anliegens zu überprüfen. Nicht zuletzt, da das im Nahverkehrsplan des Kreises Coesfeld beschriebene Verkehrsangebot – soweit in den Vorabbekanntmachungen bzw. in bzw. in den Vergabeunterlagen keine anderen Regelungen formuliert sind - nicht ohne eine vorherige erneute Absichtserklärung des Aufgabenträgers unterschritten werden darf. Nach Klärung der aufgeworfenen Fragen und Prüfung der Umsetzbarkeit, wird in einem der nächsten Sitzungen ein Kurzbericht über den Sachstand erfolgen.


Finanzielle Auswirkungen:

Bei Einführung eines rein bedarfsgesteuerten ÖPNV – Angebots im Außenbereich der Gemeinde Nottuln könnte auf längerfristige Sicht ein wirtschaftlicherer Betrieb ermöglicht werden. Zu berücksichtigen sind jedoch auch solche Kosten, die auch dann anfallen, wenn es zu bestimmten Zeitpunkten keine Bedarfe gibt. Darunter fallen etwa die Personalkosten, da eine ausreichende Anzahl von Fahrern während des gesamten Bedienungszeitraumes vorgehalten werden müssen sowie das Dispositionspersonal, das Buchungsanfragen in den jeweiligen Zeiträumen telefonisch annehmen muss. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Kosten mit einer Umstellung auf eine bedarfsgesteuerte Bedienung auch, im Vergleich zur aktuellen Situation, aufgrund einer möglicherweise erhöhten Nachfrage und daraus resultierender Mehrnutzung durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen, steigen könnten. Diese Mehrkosten müssten dann durch die entsprechenden Stellen kompensiert werden.


Anlagen:

Anlage 1:         CDU – Antrag vom 07.07.2021

Anlage 2:         Liniensteckbriefe