hier: Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses nach § 2 Abs. 1 BauGB
Beschlussvorschlag:
Der
Beschluss des Rates zur 79. Änderung des Flächennutzungsplanes „Konzentrationszonen
Windenergie“ (VL 039/2018) vom 29.05.2018 wird aufgehoben.
Sachverhalt:
Anforderung
an die Gemeinde war es substanziellen Raum für die Nutzung der Windenergie
(Anhaltswert: 10 % der Gemeindefläche nach Abzug harter Tabukriterien)
bereitzustellen. Einfach ausgedrückt bedeutet in „substanzieller Weise Raum
verschaffen“, dass die Windenergie im Außenbereich eine realistische Chance bekommen
muss. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Planung eine reine
Verhinderungsplanung darstellt. Wegen dieser so genannten Feigenblattplanung
ist, dass zwar Gebiete für die Windenergie vorgesehen werden, diese aber so
ungünstig und so gering ausfallen, dass von einem Ausbau der erneuerbaren
Energien praktisch keine Rede sein kann. Dieser Erforderlichkeit wollte die
Gemeinde im Rahmen der 79. Änderung des Flächennutzungsplans nachkommen und
neue Windkonzentrationszonen ausweisen. Dies hat der Rat der Gemeinde Nottuln am
29.05.2018 beschlossen.
Am
04.04.2019 fand eine öffentliche Informationsveranstaltung statt, in deren
Rahmen die Planungen vom beauftragten Gutachter und der Verwaltung vorgestellt
wurden. In der Zeit vom 05.04.2019 bis zum 08.05.2019 haben die Pläne zudem
öffentlich ausgelgen; Stellungnahmen konnten in dieser Zeit abgegeben werden.
Auf diesem Wege hat die Gemeinde Nottuln den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 BauGB
zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung Rechnung getragen. Parallel hat auch
die frühzeitige Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange stattgefunden (§ 4 Abs. 1 BauGB). Der Zeitpunkt der frühzeitigen
Beteiligung wurde dabei gezielt so gewählt, dass die vorgelegten Planungen
einen diskussionsfähigen Stand hatten, dabei aber noch nicht so weit waren,
dass Änderungen schlechterdings nicht mehr hätten berücksichtigt werden können.
Im
Rahmen der o.g. öffentlichen Informationsveranstaltung ist sodann deutlich
geworden,
dass
viele der im Saal anwesenden Personen mit dem derzeitigen Planungsstand
unzufrieden
waren.
Die Kritik konzentrierte sich dabei im Wesentlichen und ganz überwiegend auf
die
Ausweisung
einer potenziellen Konzentrationszone südlich des Ortsteils Schapdetten.
Aktuelle Situation und neue gesetzliche Vorgaben
Handlungsbedarf
besteht, da im rechtskräftigen Flächennutzungsplan zu wenig Flächen für die
Errichtung von Windenergieanlagen zur Verfügung stehen.
Es
gibt allerdings eine neue gesetzliche Abstandsvorgabe der Landesregierung
Nordrhein-Westfalens. Diese neuen Vorgaben sind durch das zweite Gesetz zur
Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen
vom 08. Juli 2021 bindend und sehen einen Mindestabstand von 1.000 m zu
Wohngebäuden innerhalb zusammenhängend bebauter Ortsteile vor.
Diese
neue Abstandsvorgabe führt zum Ausschluss vieler Flächen für die Windenergie
und diese gesetzliche Abstandvorgabe müsste auch in der weiteren
Konzentrationszonenplanung der Gemeinde Nottuln berücksichtigt werden.
Weißflächenanalyse für das Gemeindegebiet Nottuln
Die
Weißflächenanalyse umfasst die vollständige Untersuchung des gesamten
Gemeindegebietes von Nottuln, um diejenigen Flächen zu ermitteln, die nach
Ausschluss aller Tabukriterien für die Errichtung von Windenergieanlagen zur
Verfügung stehen.
Maßgebliche
Ausschlusskriterien in der Analyse:
·
Zusammenhängende
Wohngebiete (geschlossene Bebauung) & Gebiete mit Außenbereichssatzung, mit
gesetzlicher Abstandsvorgabe:
Abstand = 1.000 m
·
Wohnhäuser
im Außenbereich (mit Abstand):
Abstand = 500 m
·
Gewerbe-
und Industriegebiete (mit Abstand):
Abstand = 100 m
·
Allgemeine
Siedlungsbereiche:
z.B. Friedhöfe
·
Schutzgebiete:
z.B. Naturschutz, FFH-Gebiete,
Biotope, Vogelschutzgebiete
·
Waldflächen:
Laub-, Misch- und Nadelwald
·
Verkehrsflächen/Infrastruktur:
Wege, Straßen, Bahntrassen,
Leitungen, Flugverkehrsflächen
·
Gewässer:
Stehende & fließende
Gewässer, Überschwemmungsgebiete, Moore
·
Tagebau:
z.B. Steinbruch
Die
Flächenkulisse wird maßgeblich durch die Abstandsvorgaben zur Wohnbebauung
bestimmt. Dabei sind die 1.000 m Abstand zu Wohnhäusern innerhalb einer
geschlossenen Bebauung eine gesetzliche Vorgabe. Zusätzlich wurde ein 500 m
Abstand zu Wohnhäusern im Außenbereich vorsorglich als Abstand gewählt, um eine
optisch bedrängende Wirkung zu vermeiden und um Immissionsrichtwerte
einzuhalten.
Schutzgebiete
wurden ohne weitere Abstände ausgeschlossen und auch Waldflächen, da die
Errichtung von Windenergieanlagen im Wald in waldarmen Gebieten, wie dem
Münsterland, nicht infrage kommt.
Das
Ergebnis der Weißflächenanalyse hat gezeigt, dass nur sehr wenige Flächen in
Nottuln für die Errichtung von Windenergieanlagen infrage kommen und eine
räumliche Steuerung durch die Ausweisung von Konzentrationszonen unter den von
uns gewählten Bedingungen nicht mehr möglich ist, da durch die aktuelle
Gesetzgebung ohnehin kaum mehr Raum für die Errichtung von Windenergieanlagen
zur Verfügung steht.
Dies
führt zum einen zu der Empfehlung die Windkonzentrationszonenplanung im Rahmen
der 79. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Nottuln einzustellen und
zum anderen den Bebauungsplan Nr. 97 „Sondergebiete für Windkraftanlagen“
aufzuheben sowie den Flächennutzungsplan im Rahmen der 86. Änderung „Aufhebung
Konzentrationszonen“ im Parallelverfahren zu ändern (siehe Vorlage 043/2022).
Ziel ist die Freigabe des Stadtgebietes (Außenbereich) für die Errichtung von Windenergieanlagen.
Hiermit wird die Gemeinde dem Erfordernis Rechnung tragen, der Windkraft in
substanzieller Weise Raum zur Verfügung zu stellen. Windenergieanlagen sind
privilegierte Vorhaben im Außenbereich und können gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB
ermöglicht werden.
Das
Bauplanungsrecht geht zunächst bundesweit von einem allgemeinen Bauverbot im
sog.
Außenbereich
aus (§ 35 BauGB). Der Gesetzgeber hat jedoch in § 35 Abs. 1 BauGB einen
abschließenden Katalog von Vorhaben normiert, die notwendigerweise etwa wegen
ihrer Eigenart regelmäßig auf einen siedlungsfernen Standort angewiesen sind.
Diese Vorhaben, zu denen u.a. auch solche gehören, die der Erforschung,
Entwicklung oder Nutzung von Windenergie dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), sind
deswegen im Außenbereich privilegiert zulässig. Insoweit sind
Windenergieanlagen im Außenbereich jedenfalls bauplanungsrechtlich zulässig,
wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung
gesichert ist. Eine entsprechende Prüfung findet antragsbezogen und in
Abhängigkeit vom Anlagentyp im Rahmen eines bundesimmissionsschutzrechtlichen
oder bauaufsichtlichen
Genehmigungsverfahrens
statt, in das die Gemeinde über die Regelungen zum gemeindlichen Einvernehmen
in § 36 BauGB eingebunden wird.
Wegen
dieser augenscheinlich zunächst räumlich diffusen Verweisung der Windenergie in
den
Außenbereich, der gerade in ländlichen Gemeinden nicht selten den überwiegenden
Flächenanteil
des Gemeindegebiets ausmacht, verwundert es nicht, wenn öffentlich immer wieder
eine „Verspargelung der Landschaft“ durch den „Wildwuchs“ von
Windenergieanlagen diskutiert bzw. befürchtet wird. Eine unkontrollierte
Errichtung von Windenergieanlagen im gesamten Stadtgebiet wird durch die neuen gesetzlichen
Abstandsvorgaben allerdings verhindert.
Die
Einstellung der Windkonzentrationsplanung im Rahmen der 79.
Flächennutzungsplanänderung soll auch durchgeführt werden, da die Praxis und
Rechtsurteile zeigen, dass eine Vielzahl von Flächennutzungsplänen, die
Konzentrationszonen ausweisen, aufgrund von Rechtsmängeln keiner gerichtlichen
Prüfung standhalten. Somit soll vorsorglich ein Rechtsstreit und der absehbare
Ausgang mit seinen Rechtsfolgen vermieden werden.
Finanzielle Auswirkungen:
Für
die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses entstehen keine weiteren Kosten.
Anlagen:
Anlage 1: Planzeichnung 79. Änderung des
Flächennutzungsplans