Betreff
Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grüne: Bauanträge Hähnchenmastställe
Vorlage
006/2017
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

Gemäß Antrag:

Die Gemeindeverwaltung berichtet über die beantragten Neubauten von Hähnchenmastanlagen auf dem Gemeindegebiet. Der Gemeindeentwicklungsausschuss beschließt, dass Mastanlagen, bei denen eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Menschen nicht auszuschließen ist, unabhängig von der eventuellen rechtlichen Zulässigkeit, auf Nottulner Gebiet nicht gewünscht sind. Sie erteilt ihr Einvernehmen für solche Bauwerke nicht. Bei Gesprächen mit Betreibern und/oder Investoren wird dem Ausdruck gegeben.

- oder -

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

Die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen ist weiterhin Angelegenheit der laufenden Verwaltung.


Sachverhalt:

Anlage 1 ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zu entnehmen. Dieser ist aus Sicht der Verwaltung wie folgt zu bewerten:

 

Sachstand

Derzeit liegen bei der Gemeinde Nottuln zwei beim Kreis Coesfeld als Bauaufsichtsbehörde bearbeitete Bauanträge mit Bitte um Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen im Sinne von § 36 BauGB vor. Es handelt sich um eine landwirtschaftliche Anlage in der Bauernschaft Hövel (29.900 Masthähnchen) sowie eine gewerbliche Anlage in der Bauernschaft Buxtrup (29.950 Masthähnchen). Es wird darauf hingewiesen, dass die Verwaltung bereits vor der Sitzung der politischen Gremien am 25.01.2017 und 31.01.2017 über das Einvernehmen in einem Vorhaben entschieden haben wird. Grund ist, dass der Gemeinde zur Erteilung oder Versagung des Einvernehmens gem. § 36 Abs. 2 BauGB eine Frist von 2 Monaten zur Verfügung steht. Erfolgt keine Erklärung der Gemeinde gilt das Einvernehmen als erteilt. Eine Verlängerung der Frist ist auch einvernehmlich nicht möglich.

 

Bauplanungsrechtliche Rahmenbedingungen zur Errichtung von Tierhaltungsanlagen

Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich richtet sich nach § 35 BauGB. Demnach sind grundsätzlich zwei Fallkonstellationen denkbar:

a) landwirtschaftliche Tierhaltungsbetriebe

Um landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt es sich immer dann, wenn „[…] das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“ (§ 201 BauGB). Derartige Tierhaltungsanlagen sind i.d.R. im Außenbereich als privilegierte Anlagen in unbegrenzter Größe privilegiert zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

b) gewerbliche Tierhaltungsanlagen

Von gewerblichen Tierhaltungsanlagen wird dann gesprochen, wenn eine Tierhaltungsanlage keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient oder dieser nicht über eine eigene Futtergrundlage verfügt.

Ein solches Vorhaben ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ebenfalls tlw. als privilegierte Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen („wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll“). Während unter diese Rechtsvorschrift bis 2013 grundsätzlich gewerbliche Tierhaltungsanlagen aller Größen geführt wurden, ist das BauGB hier verschärft worden. Seit diesem Zeitpunkt wird § 35 Abs. 1 Nr. 4 dahingehend konkretisiert, dass eine Privilegierung bei gewerblichen Tierhaltungsanlagen nur dann vorliegt, wenn die beantragte Anlage keine Umweltverträglichkeitsprüfung (auch keine Vorprüfung oder standortbezogene Prüfung) erfordert. Dies führt auf Grund der in Anlage 1 des UVPG genannten Tierzahlen dazu, dass gewerbliche Tierhaltungsanlagen nur noch dann privilegiert sind, wenn sie z.B. für weniger als 30.000 Masthähnchen, 15.000 Hennen, 600 Rinder oder 1.500 Mastschweine ausgelegt sind.

Der Antragsteller spricht hier von einer nicht beabsichtigten Gesetzeslücke, die von den Bauherren ausgenutzt wird. Unabhängig von einer inhaltlichen Bewertung des Gesetzes kann dies nicht nachvollzogen werden. Im Bundestag ist die Gesetzesänderung 2013 intensiv diskutiert worden. Hier waren seinerzeit unterschiedlichste Fassungen des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB diskutiert worden, u.a. auch mit einem völligen Entfall der Privilegierung für gewerbliche Tierhaltungsanlagen. Schlussendlich ist aber die derzeitige Rechtslage beschlossen worden.

 

Das gemeindliche Einvernehmen im Baugenehmigungsverfahren

Die Gemeinde Nottuln bekommt durch den Kreis Coesfeld alle Bauanträge vorgelegt, um über das Einvernehmen im Sinne von § 36 BauGB zu erteilen. Die Gemeinde Nottuln hat dabei keine volle Prüfkompetenz, sondern ist auf planungsrechtliche Belange beschränkt, die sich aus den § 31, 33, 34 und 35 BauGB ergeben.

Gerade bei konfliktträchtigen Anlagen, wie auch Tierhaltungsanlagen, prüft die Gemeinde die Beeinträchtigung planungsrechtlicher Belange akribisch. Insbesondere eine nicht ausreichende Erschließung kann hier zunächst dazu führen, dass ein Einvernehmen nicht erteilt werden kann.

Ein Ermessen steht der Gemeinde dabei in aller Regel aber nicht zu. Nur wenn die o.g. rechtlichen Regelungen einen Ermessensspielraum explizit zuweisen (etwa bei der Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes) kann von einem Ermessensspielraum ausgegangen werden. Im Hinblick auf Tierhaltungsanlagen wird in aller Regel kein Ermessensspielraum bestehen; d.h. wenn die planungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden, muss das Einvernehmen erteilt werden.

Im Hinblick auf die im Antrag aufgeworfenen Punkte (Gerüche, Keime etc.) liegt vielfache Rechtsprechung vor, wonach nicht davon auszugehen ist, dass den beantragten Anlagen der öffentliche Belang „schädliche Umweltauswirkungen“ entgegensteht.

Der in Anlage 1 abgedruckte Antrag formuliert, dass für Mastanlagen unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit das Einvernehmen nicht erteilt werden soll. Eine solche Handlungsweise würde dazu führen, dass der Kreis das rechtswidrig versagte Einvernehmen im Sinne von § 36 Absatz 2 Satz 3 BauGB ohnehin ersetzen müsste. Zudem müsste die Bürgermeisterin den Beschluss im Sinne von § 54 Absatz 2 Gemeindeordnung NRW wegen offensichtlichem Verstoß gegen geltendes Recht beanstanden.

Aus diesen rechtlichen Erwägungen – unabhängig von jeglicher inhaltlicher Bewertung – schlägt die Verwaltung vor, den Beschlussvorschlag dahingehend zu formulieren, dass die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens Angelegenheit der laufenden Verwaltung bleibt.

 

Steuerungsmöglichkeiten durch Bauleitplanung

Hingewiesen werden soll an dieser Stelle darauf, dass die Gemeinde durchaus Steuerungsmöglichkeiten bei der Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen hat. Die rechtlichen Möglichkeiten werden hier derzeit fachlich intensiv diskutiert. Insbesondere in Niedersachsen, wo der größte Ansiedlungsdruck bei Tierhaltungsanlagen besteht, wird mehrfach das Modell genutzt, die Zulässigkeit von gewerblichen Tierhaltungsanlagen durch die Ausweisung Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan zu steuern (vergleichbar mit der Steuerung von Windkraftanlagen). Wichtig ist dabei, dass ein vollständiger Ausschluss derartiger Anlagen im gesamten Gemeindegebiet unzulässig ist. Da das BauGB die Privilegierung derartiger Anlagen grundsätzlich zulässt, muss auch gewerblichen Tierhaltungsanlagen signifikant Raum zugewiesen werden. Eine solche Ausweisung von Konzentrationszonen müsste auf einem gesamtgemeindlichen städtebaulichen Konzept beruhen.

Dabei handelt es sich um ein kostenintensives und konfliktreiches Verfahren.


Finanzielle Auswirkungen:

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Anlagen:

Anlage 1: Antrag