Betreff
Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Gemeinde Nottuln vom 16.09.2013
Änderung der Zuständigkeit für Abwasserkanäle im öffentlichen Grund
Vorlage
175/2013
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag der SPD-Fraktion:

 

Die Zuständigkeit für die Kanalhausanschlüsse wird geändert. Der Teil des Abwasserkanals vom Kanal in der Straße bis zur Grundstücksgrenze, fällt in Zukunft in die Zuständigkeit der Gemeinde. Dadurch ist die Gemeinde berechtigt und verpflichtet, auch diesen Teil des Kanalnetzes im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung mit zu überwachen bzw. notwendige Reparaturen durchzuführen. Für die Kanalabschnitte auf den privaten Grundstücken bleiben die Grundstückseigentümer weiterhin verantwortlich.

 

 


Sachverhalt:

 

Mit Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Gemeinde Nottuln vom 16.09.2013 wird beantragt, die Zuständigkeit für Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Grund zu ändern. Der Antrag der SPD-Fraktion ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.

 

 

Die privaten Grundstücksentwässerungsanlagen, wozu insbesondere die Grundstücksan-schlussleitungen und Leitungen auf den Grundstücken gehören, sind grundsätzlich dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des privaten Grundstückseigentümers zuzuordnen. Dabei wird unter der Grundstücksanschlussleitung grundsätzlich die Leitungsstrecke vom öffentlichen Hauptkanal in der öffentlichen Straße bis zur privaten Grundstücksgrenze verstanden. 

 

Gleichwohl haben z.Zt. ca. 50 % der 396 Städte und Gemeinden in NRW in der Entwässerungssatzung als Benutzungsordnung für die öffentliche Abwasserent-sorgungseinrichtung regelt, dass die s.g. Grundstücksanschlussleitungen Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind. Damit endet die öffentliche Abwasseranlage an der privaten Grundstücksgrenze.

 

In den anderen 50 % der Städte und Gemeinden in NRW gehören die Grundstücksanschlussleitungen nicht zur öffentlichen Abwasseranlage. Damit sind die Grundstücksanschlussleitungen dort eine private Abwasserleitung im öffentlichen Verkehrsraum. Dieses ist auch in der Gemeinde Nottuln der Fall.

 

Eine Änderung der Zuständigkeit für Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Grund lt. dem o.a. SPD-Antrag würde bedeuten, dass die s.g. Grundstücksanschlussleitungen zukünftig in die Zuständigkeit der öffentlichen Einrichtung Abwasserwerk der Gemeinde Nottuln fallen würden. Dabei handelt es sich um rd. 7.600 Grundstücksanschlussleitungen für Schmutz- und Niederschlagswasser. Insgesamt ergibt sich eine Gesamtlänge der Grundstücksanschluss-leitungen von rd. 38 km.

 

Grundsätzlich gibt es mehrere Wege die Grundstücksanschlussleitungen in die öffentliche Zuständigkeit zu überführen.

 

Eine Gemeinde kann nach der gegenwärtigen Gesetzeslage grundsätzlich die Grundstücks-anschlussleitungen in das Eigentum des Abwasserwerkes einbeziehen. Eine solche Übernahme ist jedoch rechtlich nicht unproblematisch. Insbesondere muss dem Gleichbehandlungs-grundsatz Rechnung getragen werden, weil anderenfalls Prozessrisiken nicht ausgeschlossen werden können. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Grundstücksanschlussleitungen nachträglich in die öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung einbezogen werden sollen und zeitlich davor die Grundstückseigentümer diese Grundstücksanschlüsse auf ihre Kosten hergestellt und unterhalten haben. Ein Grundstückseigentümer, der vor der Übernahme in die öffentliche Abwasseranlage in die Herstellung oder Erneuerung eines Grundstücksanschlusses investiert hat, wird nicht bereit sein, eine kostenfreie Übernahme in die öffentliche Abwasseranlage durch die Gemeinde hinzunehmen. Anders wird es dann sein, wenn die Grundstücksanschlussleitungen bereits 50 Jahre alt und erneuerungsbedürftig ist. In diesem Fall wird der Grundstückseigentümer bereit sein, den sanierungsbedürftigen Grundstücks-anschluss an die Gemeinde abzugeben.

 

Insgesamt gibt es bzgl. der eigentumsrechtlichen Übernahme von Grundstücksan-schlussleitungen durch eine Gemeinde keine eindeutige Rechtsprechung, sodass auf jeden Fall ein Prozessrisiko bestehen würde. Zusätzlich wird auf das steigende Haftungsrisiko für die Gemeinde hingewiesen. Denn, sobald eine Leitung in die öffentliche Einrichtung einbezogen worden ist, ist die Gemeinde für diese Leitung als Bestandteil der öffentlichen Anlage umfassend zuständig und für Schäden sowohl zivil als auch straf- und umweltrechtlich haftbar.

 

Für die Gemeinde Nottuln ist zusätzlich zu beachten, dass die Grundstücksanschlussleitungen, die kein Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind, auch nicht über die Schmutz- und Niederschlagswassergebühr durch eine kalkulatorische Abschreibung über die Nutzungsdauer refinanziert worden sind. Hieraus folgt, dass bei einer Übernahme in die öffentliche Abwasseranlage sich die Kosten für die Grundstücksanschlussleitungen dann in der Schmutz- und Niederschlagswassergebühr wiederfinden, so dass diese Gebühren insoweit nicht stabil bleiben können sondern ansteigen werden.

 

Insbesondere der Aufwand für die Erfassung und Bewertung des Anlagevermögens  sowie die daraus resultierenden Kapitalkosten sind hier zu berücksichtigen. Um die Grundstücks-anschlussleitungen in das Vermögen des Abwasserwerkes übernehmen zu können, wäre eine Ermittlung der Bilanzwerte aller Grundstücksanschlussleitungen erforderlich. Geht man davon aus, dass eine Bewertung nur über eine Zustandserfassung erfolgen kann, müssten voraussichtlich alle 7.600 Anschlussleitungen geprüft und bewertet werden. Allein bei einem angenommenen Wertansatz von 1.000 € pro Grundstücksanschlussleitung ergeben sich Abschreibungen in Höhe von rd. 152.000 €, die auf die Abwassergebühren umzulegen wären. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass das Abwasserwerk die Erfassung und Bewertung der Leitungen gar nicht auf die Abwassergebühr umlegen kann, da bis zu Eigentumsübernahme für diese Einrichtungen keine Abwassergebühren umgelegt werden können. Die Kosten für die Erfassung und Bewertung müssten nach jetzigem Kenntnisstand aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden. Auf die weiteren Folgen für die Abwassergebühren, resultierend aus Betrieb und Unterhaltung, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Dieses bedarf einer weitergehenden Prüfung.   

 

Als eine weniger mit Prozessrisiken belastete Maßnahme, ist es auch zulässig, die Grundstücksanschlussleitungen eigentumsrechtlich bei den Grundstückseigentümern zu belassen, sie aber dennoch in die Zuständigkeit des öffentlichen Abwasserwerkes aufzunehmen. In der Abwasserbeseitigungssatzung wird dann bestimmt, dass die Gemeinde den Betrieb und die Unterhaltung sowie die Erneuerung und Herstellung selbst oder durch Beauftragung eines Tiefbauunternehmens durchführen lässt und der dabei entstehende Aufwand über den Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG NRW gegenüber dem einzelnen Grundstückseigentümer geltend gemacht werden kann.

 

Rechtlich gesehen sind die Eigentumsübernahme oder die Übernahme mit Kostenersatzanspruch  (ohne Eigentumsübernahme) geprägt durch eine strenge und vor allen Dingen nicht einheitliche Rechtsprechung. Technisch- wirtschaftlich gesehen, kann eine Maßnahmenbündelung bei der öffentlichen Einrichtung Abwasserwerk sinnvoll sein. Trotzdem werden auch die möglichen Kostenfolgen für die Grundstückseigentümer zu betrachten sein. Im Fall einer Eigentumsübernahme würden die Abwassergebühren steigen, im Fall einer Übernahme der Verantwortlichkeit der Kommune und Kostenersatz nach § 10 KAG würden Folgekosten direkt auf die Grundstückseigentümer abgewälzt.

 

Unabhängig davon, ob eine mit Prozessrisiken belastete Eigentumsübernahme oder lediglich eine Unterhaltungsverantwortlichkeit ohne Eigentumsübernahme erfolgt, müsste die öffentliche Einrichtung Abwasserwerk sämtliche Grundstücksanschlussleitungen im Rahmen der Selbstüberwachungspflicht entsprechend den Kanalleitungen in einem Turnus von 15 jahren einer Inspektion unterziehen, sodass die Änderung der Zuständigkeit quasi eine flächendeckende Dichtheitsprüfung aller Grundstücksanschlussleitungen im Gemeindegebiet zur Folge hätte.

 

Zu diesem Themenbereich hat der Rat der Gemeinde Nottuln aber in seiner Sitzung am 17.09.2013 einstimmig den Beschluss gefasst, die Dichtheitsprüfung außerhalb des Rechtsrahmens der Änderung des Landeswassergesetzes in Verbindung mit der Abwasserverordnung „Funktionsprüfung privater Abwasserleitungen“ auf unbestimmte Zeit auszusetzen und nicht einzuführen.

 

Sollte dennoch an einer Änderung der Zuständigkeit für Abwasserkanäle im öffentlichen Grund festgehalten werden, verdeutlicht der Sachverhalt die Notwendigkeit, die komplexen technischen, wirtschaftlichen, eigentumsrechtlichen und gebührenrechtlichen Fragestellungen sowie die Haftungsproblematik im Jahr 2014 umfassend zu bearbeiten und sofern überhaupt möglich, eindeutig zu beantworten.


Finanzielle Auswirkungen:

 

Können z.Zt. nicht beziffert werden.

 


Anlagen:

 

Antrag der SPD-Fraktion vom 16.09.2013