Betreff
Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln
Vorlage
087/2013
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

1. Die „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ werden als Grundlage zur künftigen Beschlussfassung beschlossen.

2. Die bisher gestarteten vier Nachverdichtungsprojekte werden weitergeführt. Die Verwaltung stößt keine weiteren Projekte an. Eigentümer, die sich für eine Nachverdichtung ihrer Grundstücke nach den „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ interessieren, sind aufgefordert, einen Antrag an die Verwaltung zu stellen. 


Sachverhalt:

Im vergangenen Jahr wurde die Verwaltung durch den Rat beauftragt, drei Säulen der

Siedlungsentwicklung zu prüfen: A) Qualitätssicherung im Bestand, B) Baulücken schließen und Nachverdichtung sowie C) Ausweisung neuer Baugebiete (Ratsbeschluss vom 18.09.2012; VL 170/2012). Anhand der Beschlussvorlage 242/2012 wurden im Dezember vergangenen Jahres einige mögliche Nachverdichtungsgebiete zur näheren Bearbeitung ausgewählt. In Appelhülsen südlich des Sportplatzes, in Nottuln im südlichen Bereich der Steinstraße, in Darup südlich von Schoppmanns Hof, in Schapdetten „Roxeler Straße/Fuldastraße“. Die Gespräche mit den Eigentümern sind im Gange. Die Ergebnisse sollen in einer gesonderten Vorlage vorgestellt werden. 

 

Im Zuge vergangener Sitzungen des Ausschusses für Gemeindeentwicklung, Umwelt und Ordnungswesen kam die Diskussion auf, wie im Einzelfall mit Nachverdichtungsprojekten umgegangen werden soll. Mit dieser Vorlage sollen die Vor- und Nachteile der Nachverdichtung ausführlich dargelegt werden. Es wird vorgeschlagen, „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ zu beschließen, die beim weiteren Vorgehen einheitlich anzuwenden sind.

 

1. Definition Nachverdichtung:

 

Mit Nachverdichtung ist die Entwicklung innerörtlicher Flächen gemeint, die sich von ihrer Größe und Lage her für die Entwicklung von Bauland eignen. Das sind größere zusammenhängende Flächen oder auch mehrere größere Grundstücke, auf denen sich noch ein zweites Haus realisieren ließe. Im Gegensatz zu Baulücken sind die potentiellen Nachverdichtungsflächen für eine Bebauung noch nicht ausreichend erschlossen und oft steht das geltende Baurecht einer baulichen Nutzung entgegen. Wenn in einem Gartenbereich lediglich ein Einfamilienwohnhaus als Hinterlandbebauung errichtet werden kann, von der nur ein einzelner Eigentümer profitiert, kann zwar auch von Nachverdichtung gesprochen werden. Dies ist aber nicht die Form der Nachverdichtung die von Seiten der Gemeinde aktiv projektiert wird.

In Anlage 1 sind in Anlehnung an das Nachverdichtungsmodell „Innen Wohnen, Außen schonen“ aus Emsdetten Modellbeispiele dargestellt, wie Nachverdichtung erfolgen kann.

 

2. Vor- und Nachteile von Nachverdichtung in Nottuln

 

Vorteile:

·        Flächensparende Siedlungsweise wie sie als Ziel auf allen Ebenen der räumlichen Planung verfolgt wird: Bund, Land, Regionalplanung, Stadtentwicklungspolitik. Weniger Flächeninanspruchnahme für neue Siedlungen und Verkehrswege. Erhalt wertvoller Freiflächen.

·        Bedienung der bestehenden Nachfrage nach Bauland innerhalb der Ortsteile. Dabei Schaffung von am Bedarf orientierten Grundstücksgrößen: In der Bauberatung häufig nachgefragt sind Grundstücke zwischen 350 und 500 m². Bestehende Baugrundstücke in potentiellen Nachverdichtungsgebeiten haben meist 800 – über 1000 m² Größe. Die  Teilung solcher Grundstücke kann einen Verkauf erleichtern.

·        Auslastung der Infrastruktur: Innerhalb der Ortsteile sind die wesentlichen Erschließungs- und Infrastruktureinrichtungen schon vorhanden und müssen nicht mit hohem finanziellem Aufwand durch die Gemeinde neu errichtet und auf Dauer unterhalten werden. Durch Nachverdichtung werden bestehende Infrastrukturen effizienter genutzt.

·        Wirtschaftlichkeit und demographischer Wandel: Rückläufige Bevölkerungszahlen bedeuten Einnahmeverluste für die Gemeinde. Es ist nicht wirtschaftlich, für immer weniger Bürger die Siedlungsfläche auszuweiten und zusätzlich Infrastruktur zu Verfügung zu stellen, anstatt die vorhandene Infrastruktur intensiver zu nutzen.

·        Belebte Ortsteile und demographischer Wandel:

Es wird lieber neu gebaut, als ein altes Haus umzubauen oder ein Grundstück nach Abriss des alten Hauses zu nutzen. Die Folge: Bestandsimmobilien stehen leer und finden keine Nachnutzer. Der Leerstand macht sich im Ortsbild- und leben bemerkbar. Nachverdichtung trägt dazu bei, dass Bestandsquartiere durch eine Durchmischung der Bevölkerung neu belebt werden. 

 

Nachteile

·        Komplexere Problemstellung als Entwicklung „auf der grünen Wiese“, längere Verfahrensdauer. Damit verbunden sind ein hoher Personalaufwand und ein hoher zeitlicher Aufwand. Kurzfristig betrachtet entstehen höhere Kosten als bei Entwicklungen „auf der grünen Wiese“. Es gibt nur eine geringe oder keine Gewinnabschöpfung für die Kommune.

·        Fehlende Akzeptanz bei den Eigentümern, Bewohnern und Nachbarn führt zur fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer. Bei der Vielzahl der jeweils beteiligten Eigentümer wird er wahrscheinlich immer jemanden geben, der mit der Nachverdichtung nicht einverstanden ist.

·        Mögliche Bedenken:

o       Eine Beeinträchtigung der Wohnqualität wird befürchtet (Verschattung, Einblicke in Gärten, Lärm, höhere Verkehrsbelastung etc.)

o       Wandel im Quartier durch Neubewohner wird kritisch gesehen

o       Veränderung des typischen Ortsbildes durch Verdichtung

o       Verlust innerörtlicher Grünstrukturen

o       Die exakten Kosten und mögliche Erlöse lassen sich zu Beginn des Nachverdichtungsprojektes noch nicht beziffern.

o       Die finalen Kosten sind zu Beginn des Projekts noch nicht zu ermitteln

·        Schwierige Erschließung: Gemeinschaftserschließungsanlagen sind städtebaulich ansprechender, können jedoch teurer werden als die Einzelerschließung, da höhere Anforderungen an sie gestellt werden. Zudem sind die Erschließungskosten zu einem bestimmten Zahlungstermin fällig, was einzelne Eigentümer in Finanzierungsschwierigkeiten bringen kann. Einzelerschließungen über eigene Grundstücke sind städtebaulich wenig gelungen und auf Grund „zugebauter“ Vordergrundstücke teilweise schwer realisierbar.

 

3. Finanzierungsfragen:

 

Bislang wird folgendes Vorgehen praktiziert: Die Gemeinde schafft das Planungsrecht auf ihre Kosten (Planverfahren und benötigte Gutachten), die Eigentümer kommen für die Erschließung auf. Dazu zählen neben den Bau von Straßen und Wegen auch z.B. die Regenrückhaltung oder der Lärmschutz. Hinzu kommen ggf. beispielsweise Kosten einer Umlegung, Notarkosten oder Kosten für Ingenieurleistungen. Die Erschließung kann von den Eigentümern selbst errichtet werden. Sie wird dann nach Fertigstellung kosten- und lastenfrei an die Gemeinde übergeben. Die Gemeinde spart so 10% Eigenanteil bei erstmaliger Herstellung der Straße. Eigentümer erhalten im Gegenzug dafür Baurecht kostenlos und können einen Erschließungsträger ihrer Wahl beauftragen. Privatstraßen sollen nur in Ausnahmefällen zugelassen werden (s.u.).

 

Eine Besonderheit stellen die größeren und komplexeren Nachverdichtungsgebiete dar. Hier regt die Gemeinde die Eigentümer an, eine Projektentwicklungsgemeinschaft zu gründen, welche die weitergehenden Ingenieursleistungen und Kalkulationen für verschiedene Ausbauvarianten beauftragt und finanziert. Die Gemeinde steht hierbei beratend und zur Schaffung des Planungsrechts zur Verfügung.

 

In Städten mit höherem Nachfragedruck interessieren sich Investoren und Eigentümer stärker dafür, Bauland zu entwickeln. Die mögliche Gewinnabschöpfung in Nottuln ist aufgrund insgesamt niedriger Grundstückspreise nach Abzug der Planungs- und Erschließungskosten eher niedrig. Hinzu kommt, dass im Falle eines Zwischenerwerbs durch die Kommune teilweise überhöhte Kaufpreisvorstellungen der die Alteigentümer vorliegen. Ein Zwischenererb und anschließende Weiterveräußerung durch die Gemeinde ist unter anderem daher nicht vorgesehen. Auch die Abschöpfung des Planungsgewinns soll nicht praktiziert werden, da sie die Bereitschaft, einer Nachverdichtung überhaupt zuzustimmen, verringert. 

 

Planungsrecht als „Geschenk der Gemeinde“ erhöht den individuellen Wert der Grundstücke, trägt jedoch ohne eine Umsetzungsverpflichtung nicht zwangsläufig Bereitstellung von Bauland bei. Eine Umsetzungsverpflichtung wird sich in Nottuln nach Einschätzung der Verwaltung kaum durchsetzen lassen. Nicht jeder, der an einer Nachverdichtung Interesse hat, möchte auch konkret innerhalb weniger Jahre bauen oder das Grundstück veräußern.  Nachverdichtung ohne Einverständnis der Eigentümer soll in Nottuln nicht verfolgt werden.  

 

4. Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln

 

Um Gleichbehandlung in der Vielzahl der Einzelfälle zu gewährleisten, schlägt die Verwaltung folgende Spielregeln vor:

 

1.      Nachverdichtung nicht um jeden Preis: Nicht jeder Bereich ist geeignet. Es wird mit allen betroffenen Eigentümern ein Konsens gesucht. Ist eine Minderheit gegen das Projekt, kann das Projekt trotzdem fortgeführt werden.

 

Ø      Das Vorgehen „Nachverdichtung nur mit Zustimmung aller Nachbarn“ ist nicht praktikabel. Dem einzelnen Nachbarn wird damit ein Recht zum Eingriff in die Eigentumsrechte gewährt, das über keine rechtliche Grundlage verfügt. Im Übrigen ist dies auch nicht gängige Praxis bei anderen Bauprojekten: Wenn zum Beispiel ein neues Baugebiet am Ortsrand entsteht, sind die bisherigen Ortsrandbewohner in der Regel nicht mit der Planung einverstanden – das Baugebiet wird aber dennoch entwickelt. Auch in jüngerer Zeit wurden in der Abwägung von Bebauungsplanverfahren Einzelinteressen von Nachbarn zurückgestellt.

 

2.      Ausreichende Grundstücksgrößen: Mindestens 350 m²

 

Ø      Entsprechend der Nachfragen bei der Gemeinde Nottuln

 

3.      Keine Entwicklung nur für einzelne Bauwillige. Bebauungsplan für mindestens 4 zusammenhängende Baugrundstücke mit ausreichender Grundstücksgröße (bzw. 1400 m²)

 

Ø      Akzeptanz in der Nachbarschaft, keine Bevorzugung Einzelner. Verhältnis Aufwand/Nutzen.

 

4.      Ausreichendes Stellplatzangebot nach Bauordnung NRW und individuelle Prüfung der Besucherstellplätze

 

Ø      Im Einzelfall können mehr Stellplätze notwendig sein, als bauordnungsrechtlich vorgesehen

 

5.      Eindeutige Orientierung: Neue Baukörper und Stellplätze/Garagen so anordnen, dass eine eindeutige Orientierung (vorne und hinten) und geschützte private Freibereiche entstehen

 

Ø      Schutz der Nachbarschaft. Einheitliches Bild durch Anordnung der Baukörper auf den Grundstücken

 

6.      Maßstab des Bestandes beachten: Gebäudehöhe und Bauvolumen im Blockinnenbereich genauso wie oder kleiner als am Blockrand

 

Ø      Schutz der Nachbarschaft. Positives städtebauliches Gesamtbild.

 

7.      Gestaltungsfestsetzungen für Haupthaus, Anbauten und Begrünung in Abstimmung mit den Grundstückseigentümern

 

Ø      Gestaltungsfestsetzungen tragen zu einer städtebaulich einheitlichen Entwicklung des Gebiets bei und können dadurch den Wert einer Siedlung erhöhen. Kleinere Siedlungen mit einheitlichem Bild werden häufig als „stimmiger“ empfunden. Gleichzeitig schränken Gestaltungsfestsetzungen  die individuelle Gestaltung der Gebäude ein und können so den Absatz von Grundstücken erschweren. Es ist schwierig, die Einhaltung der Festsetzungen langfristig zu kontrollieren. Art und Umfang der Gestaltungsfestsetzungen sollen daher mit den betroffenen Grundstückseigentümern gemeinsam erarbeitet werden.

 

8.      Gemeinsame Erschließung vor Einzelerschließung. Vernetzung mit dem Umfeld durch Wege. Die Wege im Nachverdichtungsgebiet sollen öffentlich zugänglich sein. Privatstraßen nur in Ausnahmefällen. 

 

Ø      Das Nachverdichtungsgebiet soll gut in die bestehenden Gebiete eingebunden werden. Für die Vernetzung ist es wichtig, dass das Gebiet öffentlich zugänglich ist. Wegen der Verkehrssicherungspflicht ist es besser, wenn die öffentlich zugänglichen Straßen von der öffentlichen Hand unterhalten werden.

 

9.      Bei Bedarf Umgestaltung des öffentlichen Raums im Umfeld des Nachverdichtungsgebietes

 

Ø      Vorrangiges Ziel soll es sein, das Nachverdichtungsgebiet selbst ansprechend, d.h. z. B. auch mit Bäumen im öffentlichen Raum, zu gestalten. Je nach Größe des Gebiets sind ggf. zusätzliche Maßnahmen im Umfeld notwendig (z. B. Besucherstellplätze).

 

Es gab mehrere Anfragen von Bürgern, die nicht innerhalb der aus städtebaulichen Gründen ausgewählten Nachverdichtungsgebiete liegen. Den Nachfragen gemein ist, dass sie jeweils nur einzelne Grundstücke betreffen. Die Bürger werden zurzeit darauf verwiesen, sich mit Ihren Nachbarn zusammen zu schließen und einen gemeinsamen Antrag auf Nachverdichtung zu stellen. Falls entsprechende Anträge eingehen, sollten diese ebenso wie die bislang untersuchten Nachverdichtungsgebiete anhand der Regeln für die Nachverdichtung bewertet werden.

 

Die Verwaltung schlägt auf Grund des sehr hohen Aufwands vor, nach Bearbeitung der bereits gestarteten vier Projekte zunächst keine weiteren Nachverdichtungsprojekte mehr von Seiten der Gemeinde anzustoßen. Stattdessen sind die an Nachverdichtung interessierten Eigentümer aufgefordert, Gebiete, die sich nach den „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ eignen, vorzuschlagen. Bei Eingang passender Vorschläge wird die Gemeinde aktiv. Die politischen Gremien werden kontinuierlich über den Sachstand informiert.


Finanzielle Auswirkungen:

Die Planungskosten trägt die Gemeinde, die Erschließungskosten tragen die Eigentümer.