Beschlussvorschlag:
1. Die „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ werden als Grundlage zur künftigen Beschlussfassung beschlossen.
2. Die bisher gestarteten vier Nachverdichtungsprojekte werden weitergeführt. Die Verwaltung stößt keine weiteren Projekte an. Eigentümer, die sich für eine Nachverdichtung ihrer Grundstücke nach den „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ interessieren, sind aufgefordert, einen Antrag an die Verwaltung zu stellen.
Sachverhalt:
Im vergangenen Jahr wurde die Verwaltung durch den Rat beauftragt, drei Säulen der
Siedlungsentwicklung zu prüfen: A) Qualitätssicherung im Bestand, B) Baulücken schließen und Nachverdichtung sowie C) Ausweisung neuer Baugebiete (Ratsbeschluss vom 18.09.2012; VL 170/2012). Anhand der Beschlussvorlage 242/2012 wurden im Dezember vergangenen Jahres einige mögliche Nachverdichtungsgebiete zur näheren Bearbeitung ausgewählt. In Appelhülsen südlich des Sportplatzes, in Nottuln im südlichen Bereich der Steinstraße, in Darup südlich von Schoppmanns Hof, in Schapdetten „Roxeler Straße/Fuldastraße“. Die Gespräche mit den Eigentümern sind im Gange. Die Ergebnisse sollen in einer gesonderten Vorlage vorgestellt werden.
Im Zuge vergangener Sitzungen des Ausschusses für Gemeindeentwicklung, Umwelt und Ordnungswesen kam die Diskussion auf, wie im Einzelfall mit Nachverdichtungsprojekten umgegangen werden soll. Mit dieser Vorlage sollen die Vor- und Nachteile der Nachverdichtung ausführlich dargelegt werden. Es wird vorgeschlagen, „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ zu beschließen, die beim weiteren Vorgehen einheitlich anzuwenden sind.
1. Definition
Nachverdichtung:
Mit Nachverdichtung ist die Entwicklung innerörtlicher Flächen gemeint, die sich von ihrer Größe und Lage her für die Entwicklung von Bauland eignen. Das sind größere zusammenhängende Flächen oder auch mehrere größere Grundstücke, auf denen sich noch ein zweites Haus realisieren ließe. Im Gegensatz zu Baulücken sind die potentiellen Nachverdichtungsflächen für eine Bebauung noch nicht ausreichend erschlossen und oft steht das geltende Baurecht einer baulichen Nutzung entgegen. Wenn in einem Gartenbereich lediglich ein Einfamilienwohnhaus als Hinterlandbebauung errichtet werden kann, von der nur ein einzelner Eigentümer profitiert, kann zwar auch von Nachverdichtung gesprochen werden. Dies ist aber nicht die Form der Nachverdichtung die von Seiten der Gemeinde aktiv projektiert wird.
In Anlage 1 sind in Anlehnung an das Nachverdichtungsmodell „Innen Wohnen, Außen schonen“ aus Emsdetten Modellbeispiele dargestellt, wie Nachverdichtung erfolgen kann.
2. Vor- und Nachteile von Nachverdichtung in Nottuln
Vorteile:
·
Flächensparende
Siedlungsweise wie sie als Ziel auf
allen Ebenen der räumlichen Planung verfolgt wird: Bund, Land, Regionalplanung,
Stadtentwicklungspolitik. Weniger Flächeninanspruchnahme für neue Siedlungen
und Verkehrswege. Erhalt wertvoller Freiflächen.
·
Bedienung der
bestehenden Nachfrage nach Bauland innerhalb der Ortsteile. Dabei Schaffung
von am Bedarf orientierten Grundstücksgrößen: In der Bauberatung häufig
nachgefragt sind Grundstücke zwischen 350 und 500 m². Bestehende Baugrundstücke
in potentiellen Nachverdichtungsgebeiten haben meist 800 – über 1000 m² Größe.
Die Teilung solcher Grundstücke kann
einen Verkauf erleichtern.
·
Auslastung der Infrastruktur:
Innerhalb der Ortsteile sind die wesentlichen Erschließungs- und
Infrastruktureinrichtungen schon vorhanden und müssen nicht mit hohem
finanziellem Aufwand durch die Gemeinde neu errichtet und auf Dauer unterhalten
werden. Durch Nachverdichtung werden bestehende Infrastrukturen effizienter
genutzt.
·
Wirtschaftlichkeit und demographischer Wandel: Rückläufige
Bevölkerungszahlen bedeuten Einnahmeverluste für die Gemeinde. Es ist nicht
wirtschaftlich, für immer weniger Bürger die Siedlungsfläche auszuweiten und
zusätzlich Infrastruktur zu Verfügung zu stellen, anstatt die vorhandene
Infrastruktur intensiver zu nutzen.
·
Belebte Ortsteile und demographischer Wandel:
Es wird lieber neu gebaut, als ein altes Haus umzubauen oder ein
Grundstück nach Abriss des alten Hauses zu nutzen. Die Folge:
Bestandsimmobilien stehen leer und finden keine Nachnutzer. Der Leerstand macht
sich im Ortsbild- und leben bemerkbar. Nachverdichtung trägt dazu bei, dass
Bestandsquartiere durch eine Durchmischung der Bevölkerung neu belebt
werden.
Nachteile
·
Komplexere
Problemstellung als Entwicklung „auf der grünen Wiese“, längere
Verfahrensdauer. Damit verbunden sind ein hoher Personalaufwand und ein
hoher zeitlicher Aufwand. Kurzfristig betrachtet entstehen höhere Kosten als
bei Entwicklungen „auf der grünen Wiese“. Es gibt nur eine geringe oder keine
Gewinnabschöpfung für die Kommune.
·
Fehlende Akzeptanz bei den Eigentümern, Bewohnern und Nachbarn führt
zur fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer. Bei der Vielzahl der
jeweils beteiligten Eigentümer wird er wahrscheinlich immer jemanden geben, der
mit der Nachverdichtung nicht einverstanden ist.
·
Mögliche Bedenken:
o
Eine Beeinträchtigung
der Wohnqualität wird befürchtet (Verschattung, Einblicke in Gärten, Lärm,
höhere Verkehrsbelastung etc.)
o
Wandel im Quartier
durch Neubewohner wird kritisch gesehen
o
Veränderung des
typischen Ortsbildes durch Verdichtung
o
Verlust innerörtlicher
Grünstrukturen
o
Die exakten Kosten und
mögliche Erlöse lassen sich zu Beginn des Nachverdichtungsprojektes noch nicht
beziffern.
o
Die finalen Kosten
sind zu Beginn des Projekts noch nicht zu ermitteln
·
Schwierige
Erschließung:
Gemeinschaftserschließungsanlagen sind städtebaulich ansprechender, können
jedoch teurer werden als die Einzelerschließung, da höhere Anforderungen an sie
gestellt werden. Zudem sind die Erschließungskosten zu einem bestimmten
Zahlungstermin fällig, was einzelne Eigentümer in Finanzierungsschwierigkeiten
bringen kann. Einzelerschließungen über eigene Grundstücke sind städtebaulich
wenig gelungen und auf Grund „zugebauter“ Vordergrundstücke teilweise schwer
realisierbar.
3. Finanzierungsfragen:
Bislang wird folgendes Vorgehen praktiziert: Die Gemeinde schafft das Planungsrecht auf ihre Kosten (Planverfahren und benötigte Gutachten), die Eigentümer kommen für die Erschließung auf. Dazu zählen neben den Bau von Straßen und Wegen auch z.B. die Regenrückhaltung oder der Lärmschutz. Hinzu kommen ggf. beispielsweise Kosten einer Umlegung, Notarkosten oder Kosten für Ingenieurleistungen. Die Erschließung kann von den Eigentümern selbst errichtet werden. Sie wird dann nach Fertigstellung kosten- und lastenfrei an die Gemeinde übergeben. Die Gemeinde spart so 10% Eigenanteil bei erstmaliger Herstellung der Straße. Eigentümer erhalten im Gegenzug dafür Baurecht kostenlos und können einen Erschließungsträger ihrer Wahl beauftragen. Privatstraßen sollen nur in Ausnahmefällen zugelassen werden (s.u.).
Eine Besonderheit stellen die größeren und komplexeren Nachverdichtungsgebiete dar. Hier regt die Gemeinde die Eigentümer an, eine Projektentwicklungsgemeinschaft zu gründen, welche die weitergehenden Ingenieursleistungen und Kalkulationen für verschiedene Ausbauvarianten beauftragt und finanziert. Die Gemeinde steht hierbei beratend und zur Schaffung des Planungsrechts zur Verfügung.
In Städten mit höherem Nachfragedruck interessieren sich Investoren und Eigentümer stärker dafür, Bauland zu entwickeln. Die mögliche Gewinnabschöpfung in Nottuln ist aufgrund insgesamt niedriger Grundstückspreise nach Abzug der Planungs- und Erschließungskosten eher niedrig. Hinzu kommt, dass im Falle eines Zwischenerwerbs durch die Kommune teilweise überhöhte Kaufpreisvorstellungen der die Alteigentümer vorliegen. Ein Zwischenererb und anschließende Weiterveräußerung durch die Gemeinde ist unter anderem daher nicht vorgesehen. Auch die Abschöpfung des Planungsgewinns soll nicht praktiziert werden, da sie die Bereitschaft, einer Nachverdichtung überhaupt zuzustimmen, verringert.
Planungsrecht als „Geschenk der Gemeinde“ erhöht den individuellen Wert der Grundstücke, trägt jedoch ohne eine Umsetzungsverpflichtung nicht zwangsläufig Bereitstellung von Bauland bei. Eine Umsetzungsverpflichtung wird sich in Nottuln nach Einschätzung der Verwaltung kaum durchsetzen lassen. Nicht jeder, der an einer Nachverdichtung Interesse hat, möchte auch konkret innerhalb weniger Jahre bauen oder das Grundstück veräußern. Nachverdichtung ohne Einverständnis der Eigentümer soll in Nottuln nicht verfolgt werden.
4. Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln
Um Gleichbehandlung
in der Vielzahl der Einzelfälle zu gewährleisten, schlägt die Verwaltung
folgende Spielregeln vor:
1.
Nachverdichtung
nicht um jeden Preis: Nicht jeder Bereich ist geeignet. Es wird mit allen
betroffenen Eigentümern ein Konsens gesucht. Ist eine Minderheit gegen das
Projekt, kann das Projekt trotzdem fortgeführt werden.
Ø
Das Vorgehen
„Nachverdichtung nur mit Zustimmung aller Nachbarn“ ist nicht praktikabel. Dem
einzelnen Nachbarn wird damit ein Recht zum Eingriff in die Eigentumsrechte
gewährt, das über keine rechtliche Grundlage verfügt. Im Übrigen ist dies auch
nicht gängige Praxis bei anderen Bauprojekten: Wenn zum Beispiel ein neues
Baugebiet am Ortsrand entsteht, sind die bisherigen Ortsrandbewohner in der
Regel nicht mit der Planung einverstanden – das Baugebiet wird aber dennoch
entwickelt. Auch in jüngerer Zeit wurden in der Abwägung von Bebauungsplanverfahren
Einzelinteressen von Nachbarn zurückgestellt.
2.
Ausreichende Grundstücksgrößen: Mindestens 350 m²
Ø
Entsprechend der
Nachfragen bei der Gemeinde Nottuln
3.
Keine Entwicklung nur für einzelne Bauwillige.
Bebauungsplan für mindestens 4 zusammenhängende Baugrundstücke mit
ausreichender Grundstücksgröße (bzw. 1400 m²)
Ø
Akzeptanz in der
Nachbarschaft, keine Bevorzugung Einzelner. Verhältnis Aufwand/Nutzen.
4.
Ausreichendes
Stellplatzangebot nach Bauordnung NRW und individuelle Prüfung der
Besucherstellplätze
Ø
Im Einzelfall können
mehr Stellplätze notwendig sein, als bauordnungsrechtlich vorgesehen
5. Eindeutige Orientierung: Neue
Baukörper und Stellplätze/Garagen so anordnen, dass eine eindeutige
Orientierung (vorne und hinten) und geschützte private Freibereiche entstehen
Ø
Schutz der
Nachbarschaft. Einheitliches Bild durch Anordnung der Baukörper auf den
Grundstücken
6.
Maßstab des
Bestandes beachten: Gebäudehöhe und Bauvolumen im Blockinnenbereich
genauso wie oder kleiner als am Blockrand
Ø
Schutz der
Nachbarschaft. Positives städtebauliches Gesamtbild.
7.
Gestaltungsfestsetzungen für Haupthaus, Anbauten und Begrünung in
Abstimmung mit den Grundstückseigentümern
Ø
Gestaltungsfestsetzungen tragen zu einer
städtebaulich einheitlichen Entwicklung des Gebiets bei und können dadurch den
Wert einer Siedlung erhöhen. Kleinere Siedlungen mit einheitlichem Bild werden
häufig als „stimmiger“ empfunden. Gleichzeitig schränken
Gestaltungsfestsetzungen die
individuelle Gestaltung der Gebäude ein und können so den Absatz von
Grundstücken erschweren. Es ist schwierig, die Einhaltung der Festsetzungen
langfristig zu kontrollieren. Art und Umfang der Gestaltungsfestsetzungen
sollen daher mit den betroffenen Grundstückseigentümern gemeinsam erarbeitet
werden.
8.
Gemeinsame Erschließung vor Einzelerschließung. Vernetzung mit dem
Umfeld durch Wege. Die Wege im Nachverdichtungsgebiet sollen öffentlich
zugänglich sein. Privatstraßen nur in Ausnahmefällen.
Ø
Das Nachverdichtungsgebiet soll gut in die
bestehenden Gebiete eingebunden werden. Für die Vernetzung ist es wichtig, dass
das Gebiet öffentlich zugänglich ist. Wegen der Verkehrssicherungspflicht ist
es besser, wenn die öffentlich zugänglichen Straßen von der öffentlichen Hand
unterhalten werden.
9.
Bei Bedarf Umgestaltung des öffentlichen Raums im Umfeld des
Nachverdichtungsgebietes
Ø
Vorrangiges Ziel soll es sein, das
Nachverdichtungsgebiet selbst ansprechend, d.h. z. B. auch mit Bäumen im
öffentlichen Raum, zu gestalten. Je nach Größe des Gebiets sind ggf.
zusätzliche Maßnahmen im Umfeld notwendig (z. B. Besucherstellplätze).
Es gab mehrere Anfragen von Bürgern, die nicht innerhalb der aus städtebaulichen Gründen ausgewählten Nachverdichtungsgebiete liegen. Den Nachfragen gemein ist, dass sie jeweils nur einzelne Grundstücke betreffen. Die Bürger werden zurzeit darauf verwiesen, sich mit Ihren Nachbarn zusammen zu schließen und einen gemeinsamen Antrag auf Nachverdichtung zu stellen. Falls entsprechende Anträge eingehen, sollten diese ebenso wie die bislang untersuchten Nachverdichtungsgebiete anhand der Regeln für die Nachverdichtung bewertet werden.
Die Verwaltung schlägt auf Grund des sehr hohen Aufwands vor, nach Bearbeitung der bereits gestarteten vier Projekte zunächst keine weiteren Nachverdichtungsprojekte mehr von Seiten der Gemeinde anzustoßen. Stattdessen sind die an Nachverdichtung interessierten Eigentümer aufgefordert, Gebiete, die sich nach den „Spielregeln für Nachverdichtung in Nottuln“ eignen, vorzuschlagen. Bei Eingang passender Vorschläge wird die Gemeinde aktiv. Die politischen Gremien werden kontinuierlich über den Sachstand informiert.
Finanzielle Auswirkungen:
Die Planungskosten trägt die Gemeinde, die Erschließungskosten tragen die Eigentümer.