Betreff
Umsetzungsstand E-Government-Lösungen bei der Gemeindeverwaltung Nottuln
Vorlage
039/2011
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.


Sachverhalt:

 

I            Grundlagen

            a) Begriffsbestimmung/Definition

Das Thema E-Government beherrscht seit einigen Jahren die Entwicklungen im digitalen Bereich. Um sich diesem umfassenden Thema zu nähern, wird zunächst eine Begriffsbestimmung vorgenommen. „To govern“ heißt (wörtlich übersetzt) „regieren“, aber auch „leiten“, „verwalten“ oder „regeln“. Das „e“ steht für „electronic“ und soll somit den digitalen Charakter z.B. des Verwaltens unterstreichen.

Für den Begriff E-Government sind verschiedene Definitionen entwickelt worden.

Die Speyerer Definition (entstanden an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer) besagt, dass es sich um „die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit dem Regieren und Verwalten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“ handelt. Der Fokus ist somit auf die Geschäftsprozesse innerhalb der Verwaltung gerichtet.

Die Gesellschaft für Informatik hat eine weitergehende Definition gefunden: „Unter E-Government wird die Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung verstanden unter sehr intensiver Nutzung von Informationstechnik.“

Beide Definitionen stellen klar auf die technischen Aspekte ab. E-Government hat daneben auch aber eine ganz starke organisatorische Dimension; so sind Parallelen zu dem in den 90er Jahren dominierenden Thema des Neuen Steuerungsmodells (NMS) zu erkennen. Wesentlich ist beiden Reformen die Prozessorientierung und die Kundenorientierung. Durch den vermehrten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien wird in der Fachliteratur E-Government als Fortentwicklung des NSM dargestellt.

Eine dritte Definition haben die Autoren Jansen und Priddat entwickelt, die „die Virtualisierung des Staates“ mit folgenden Benutzergruppen verstehen:

1.       C2G – citizien to government

Der Staat/die Verwaltung stellen dem Bürger/der Bevölkerung auf elektronischem Wege digitalisierte, integrierte, personalisierte und jederzeit verfügbare Dienste zur Verfügung.

2.       B2G – business to government

Die Wirtschaft steht im Kontakt zur Verwaltung.

3.       G2G – government to government

Unterschiedliche staatliche Ebenen treten in Kontakt.

            b) Einsatz, Ziele und Nutzen des E-Government

Für die Entscheidung über sinnvolle Einsatzgebiete von E-Government-Lösungen müssen die drei Interaktionsstufen Information, Kommunikation und Transaktion berücksichtigt werden. Ferner sind gegebenenfalls die rechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen, beispielsweise die Vorgabe, bei der Kontaktaufnahme die Schriftformerfordernis zu wahren oder die eigenhändige Unterschrift abzugeben.

Die Information ist die niedrigste Interaktionsstufe. Hierzu zählen u.a. Bürgerinformations- oder Touristeninformationssysteme, Internetauftritte.

Die zweite, intensivere Interaktionsstufe ist die Kommunikation; E-Mail-Kontakte und Telefongespräche zählen hierzu.

Die höchste Stufe der Interaktion ist die Transaktion, wie z.B. bei Formularlösungen, die über das Internet angeboten werden.

Die folgenden Ziele werden mit E-Government verfolgt:

·         Erhöhung der Dienstleistungsqualität der Verwaltung

·         Erhöhung der Effizienz öffentlichen Verwaltungshandelns

·         Optimierung der Ablaufprozesse innerhalb und zwischen einzelnen Verwaltungsbereichen bzw. Behörden der öffentlichen Verwaltung

·         Kostenersparnis

·         Verbesserung der Transparenz des Verwaltungshandelns und Bürgerbeteiligung

·         Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Verwaltungsmitarbeiter und damit Steigerung der Motivation

Das Nutzungspotential für den Bürger liegt insbesondere in der höheren Dienstleistungsqualität, dass er unabhängig von Ort und Zeit auf die Verwaltungsdienstleistungen zugreifen kann. Allerdings herrscht in der Fachliteratur derzeit die Einschätzung vor, dass der Bürger nur eine untergeordnete Rolle bei der Entwicklung von E-Government-Lösungen spielt, da die durchschnittlichen Kontakte eines Bürgers mit seiner Verwaltung auf nur ein- bis dreimal im Jahr geschätzt werden. Somit richten sich die Bedarfe des Bürgers derzeit eher auf einfache Angebote aus, wie gute Informationen, Formulare oder elektronische Lösungen bei Standardgeschäften.


Die Anforderungen der Wirtschaft sind so unterschiedlich wie die dort vertretenen Nutzergruppen, wie z.B. kleine und mittelständische Unternehmen, Selbstständige, Großunternehmen oder Existenzgründer. Einheitliches Kriterium für einen E-Government-Prozess für alle dürfte die Gesamtdauer eines Genehmigungsverfahrens sein oder die Zeitersparnis für das Unternehmen.

Die Verwaltung kann bezüglich ihrer Organisation oder in Bezug auf die Verwaltungsmitarbeiter Nutzungspotentiale erschließen. Untersuchungen haben gezeigt, dass erst durch Transaktionen sich für die Verwaltung finanzielle Einsparungen durch Effizienz- und Effektivitätssteigerungen erzielen lassen. Der Mitarbeiter profitiert durch einfache Informationsanwendungen für Routinearbeiten, so dass mehr Zeit für die Beratungsdienstleistung verbleibt. 

 

II            Nationale E-Government-Strategie

Am 24.09.2010 wurde eine nationale E-Government-Strategie für Deutschland vom IT-Planungsrat beschlossen. In dem Planungsrat sind der Bund, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände vertreten. Ziel der E-Government-Strategie ist es, die Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Verwaltungen zu erhöhen und ein Zusammenwirken über Behördengrenzen hinweg zu ermöglichen. Orientiert an den Nutzen für die Bürger, die Unternehmen und die Verwaltungen sollen Verwaltungsabläufe so modifiziert werden, dass behördenübergreifende Prozesse abgebildet werden können, unter Beachtung von Datenschutz und Datensicherheit und nach Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe von Bürgern und Unternehmen an der politischen Meinungsbildung oder der Gestaltung von Planungs- und Entscheidungsprozessen. Zur Umsetzung der nationalen E-Government-Strategie soll ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden.

 

III            Zusammenarbeit mit citeq

Im EDV-Bereich besteht eine intensive und enge Zusammenarbeit mit der citeq der Stadt Münster (im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung). In den Arbeitskreisen werden seit einigen Jahren E-Government-Lösungen beraten und sukzessive umgesetzt. Als „Meilenstein“ wird in diesem Zusammenhang die Einführung des neuen Personalausweises (nPA)  zum 01.11.2010 betrachtet, der eine eID - elektronische Identität – enthält.

Die Stadt Münster hat Anfang März 2011 einige Antragsprozesse über eID-Formulare realisiert, wie z.B. die Abholung von Elektroschrott oder einen Kartenbestellservice aus dem Bereich Liegenschaften.


Die daraus gewonnenen Erfahrungen ergeben sich aus den Fragen:

·         Welche Dienstleistungen werden in der Kommune häufig nachgefragt?

·         Entstehen auch für die Verwaltung Synergien durch die E-Government-Lösung? Ist z.B. eine medienbruchfreie Weiterverarbeitung der Antragsdaten im Fachverfahren möglich?

·         Ist eine Authentifizierung des Bürgers für die gewünschte Dienstleistung überhaupt notwendig? So ist seit Jahren z.B. eine Reservierung eines Kfz-Wunschkennzeichens ohne einen Identitätsnachweis möglich.

Zum 01.05.2011 – nach einem halben Jahr mit dem neuen Personalausweis – hat das Kraftfahrtbundesamt eine elektronische Punktestandabfrage realisiert. Die Antwort erhält der Bürger aber zunächst per Post, da der sichere E-Mail-Verkehr erst durch die Einführung von De-Mail möglich sein wird. Diese Punktestandabfrage ist – so die Fachpresse – eine von bislang 15 funktionierenden Online-Anwendungen, die mit dem neuen Personalausweis genutzt werden können; allein vier dieser Verfahren sind von der citeq entwickelt worden. Die Nutzung dieser sogenannten intelligenten eID-Formulare durch die Bürgerschaft war bei der Stadt Münster in den ersten beiden Betriebsmonaten sehr gering (nur rund 1,4% der Anträge wurden mit den nPA abgewickelt).

Die citeq beabsichtigt, bis zum Jahresende den Fachgremien eine Liste von 10 – 20 eID-Formularen vorzulegen, sowie hierfür die Kosten zu beziffern.

 

IV            Umsetzungsstand bei der Gemeindeverwaltung Nottuln

Durch gesetzgeberische Vorgaben gehören E-Government-Lösungen bereits zum Verwaltungsalltag.

So wurde zum 28.12.2009 die so genannte EU-Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Zur Verbesserung des EG-Binnenmarktes sind so genannte Einheitliche Ansprechpartner (EA) benannt worden, um die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen sicher zu stellen. Die Gemeinde Nottuln hat sich wie alle Kommunen im Kreis Coesfeld mit den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf sowie mit den Städten Hamm und Münster zu dem EA Münsterland zusammen geschlossen (www.ea-muensterland.de). Die Nachfrage nach dieser Dienstleistung ist bislang sehr gering; Nottuln hat bis heute keine Nachfrage zu verzeichnen.

Die vom Land NRW gegründete Gesellschaft d-NRW (www.d-NRW.de) hat sich zur Aufgabe gemacht, E-Government-Anwendungen, die den Geschäftsverkehr zwischen Verwaltungs-einrichtungen, Bürgern und Wirtschaft wesentlich erleichtern, zu entwickeln und zu betreiben.


In Nottuln sehr intensiv genutzt werden die elektronischen Melderegisterauskünfte. Hierbei werden einfache Melderegisteranfragen über zentrale Internet-Portale abgewickelt, so z.B. Adressanfragen von Inkassofirmen oder anderen Kommunen. Neben den Städten Münster und Hamm ist die Gemeinde Nottuln im Bereich der citeq die einzige Kommune, die diesen Service nutzt. Im Jahr 2010 konnten auf diesem Weg 2000 Melderegisterabfragen online abgewickelt werden.

Die citeq der Stadt Münster betreibt zusammen mit dem Rechenzentrum Niederrhein das sogenannte DataClearing-Verfahren; DataClearing NRW (www.dataclearing-nrw.de) stellt sicher, dass die Kommunen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Rückmeldung im Meldewesen seit dem 1.1.2007 nachkommen können.

Ebenfalls über d-NRW wird die sogenannte Verwaltungssuchmaschine NRW (VSM) betrieben. Über eine benutzerfreundliche Suchmaske können Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, aber auch Verwaltungsmitarbeiter gezielt nach Informationen und Zuständigkeiten im Hinblick auf Verwaltungsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen suchen. Dieser Service ist über die Homepage der Gemeinde Nottuln unter der Rubrik „Suche“ zu finden.

Die Gemeinde Nottuln hat im Rahmen des Modellprojektes „Vernetzte Verwaltung“ – das d-NRW im Auftrag des Innenministeriums begleitet hat – das Finanzzentrum Baumberge gegründet. Um die interkommunale Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter ausbauen zu können, wird derzeit mit der citeq ein Dokumentenmanagementsystem eingerichtet, damit die Buchungsbelege ab dem 01.01.2012 in digitaler Form „fließen“ können.

Ein stark nachgefragter Dienst ist der sogenannte Online-Wahlschein, d.h. der/die Wahlberechtigte kann mit seiner Wahlscheinnummer online Briefwahlunterlagen anfordern. Bei der Landtagswahl 2010 nutzten 418 Nottulner Bürger/innen diesen angebotenen Service und entspricht einem Anteil von 16,4 % aller Briefwähler/innen.

Neben diesen auf Transaktion angelegten E-Government-Lösungen gibt es viele selbstverständliche Informationsangebote wie z.B. die Internetseite, die dort enthaltenen Informationen der Baumberge-Touristik oder das Rats-Informations-System.  Darüber hinaus gehört im Bereich der Kommunikation der E-Mail-Kontakt zum heutigen Standard.

Die aufgeführten Beispiele sowie die Aktivitäten der citeq im Bereich der sogenannte intelligenten e-Formulare machen deutlich, dass immer mehr E-Government-Lösungen auch zum Standard bei der Gemeindeverwaltung Nottuln werden. Künftige Lösungen sollten wie bisher unter Berücksichtigung der Nutzernachfrage, der Qualifizierung der Mitarbeiter, der technischen Entwicklungen und des organisatorisch Machbaren umgesetzt werden.


Neben dem eingeführten nPA mit der eID wird aus Sicht der Fachleute das Projekt De-Mail einen weiteren Entwicklungsschub bringen. De-Mail ist im Rahmen des Modernisierungsprogramms „Vernetzte und transparente Verwaltung“ der Bundesregierung entwickelt worden und soll den sicheren E-Mail-Verkehr gewährleisten (das Gesetz ist am 03.05.2011 in Kraft getreten).

 

Bei allen kommenden Entwicklungen im E-Government-Bereich wird aber der persönliche Kontakt der Bürgerschaft mit ihrer Verwaltung weiterhin einen hohen Stellenwert haben.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Für jede neue E-Government-Lösung müssen die Kosten einzeln beziffert werden und Finanzmittel über die Haushaltsplanung bereit gestellt werden.