Beschlussvorschlag:
Der Haupt- und
Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
Sachverhalt:
I Grundlagen
a) Begriffsbestimmung/Definition
Das Thema E-Government
beherrscht seit einigen Jahren die Entwicklungen im digitalen Bereich. Um sich
diesem umfassenden Thema zu nähern, wird zunächst eine Begriffsbestimmung
vorgenommen. „To govern“ heißt (wörtlich übersetzt) „regieren“, aber auch
„leiten“, „verwalten“ oder „regeln“. Das „e“ steht für „electronic“ und soll
somit den digitalen Charakter z.B. des Verwaltens unterstreichen.
Für den Begriff
E-Government sind verschiedene Definitionen entwickelt worden.
Die Speyerer Definition (entstanden an der Hochschule für
Verwaltungswissenschaften in Speyer) besagt, dass es sich um „die Abwicklung
geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit dem Regieren und Verwalten mit
Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“
handelt. Der Fokus ist somit auf die Geschäftsprozesse innerhalb der Verwaltung
gerichtet.
Die Gesellschaft für Informatik hat eine weitergehende Definition
gefunden: „Unter E-Government wird die Durchführung von Prozessen der öffentlichen
Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat
und Verwaltung verstanden unter sehr intensiver Nutzung von
Informationstechnik.“
Beide Definitionen stellen
klar auf die technischen Aspekte ab. E-Government hat daneben auch aber eine
ganz starke organisatorische Dimension; so sind Parallelen zu dem in den 90er
Jahren dominierenden Thema des Neuen Steuerungsmodells (NMS) zu erkennen.
Wesentlich ist beiden Reformen die Prozessorientierung und die
Kundenorientierung. Durch den vermehrten Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien wird in der Fachliteratur E-Government als
Fortentwicklung des NSM dargestellt.
Eine dritte Definition
haben die Autoren Jansen und Priddat
entwickelt, die „die Virtualisierung des Staates“ mit folgenden Benutzergruppen
verstehen:
1.
C2G – citizien to government
Der Staat/die Verwaltung
stellen dem Bürger/der Bevölkerung auf elektronischem Wege digitalisierte,
integrierte, personalisierte und jederzeit verfügbare Dienste zur Verfügung.
2.
B2G – business to government
Die Wirtschaft steht im
Kontakt zur Verwaltung.
3.
G2G – government to government
Unterschiedliche
staatliche Ebenen treten in Kontakt.
b) Einsatz, Ziele und Nutzen des
E-Government
Für die Entscheidung über
sinnvolle Einsatzgebiete von
E-Government-Lösungen müssen die drei Interaktionsstufen Information, Kommunikation und Transaktion
berücksichtigt werden. Ferner sind gegebenenfalls die rechtlichen Vorgaben zu
berücksichtigen, beispielsweise die Vorgabe, bei der Kontaktaufnahme die
Schriftformerfordernis zu wahren oder die eigenhändige Unterschrift abzugeben.
Die Information ist die niedrigste Interaktionsstufe. Hierzu zählen
u.a. Bürgerinformations- oder Touristeninformationssysteme, Internetauftritte.
Die zweite, intensivere
Interaktionsstufe ist die Kommunikation;
E-Mail-Kontakte und Telefongespräche zählen hierzu.
Die höchste Stufe der
Interaktion ist die Transaktion, wie
z.B. bei Formularlösungen, die über das Internet angeboten werden.
Die folgenden Ziele werden mit E-Government verfolgt:
·
Erhöhung
der Dienstleistungsqualität der Verwaltung
·
Erhöhung
der Effizienz öffentlichen Verwaltungshandelns
·
Optimierung
der Ablaufprozesse innerhalb und zwischen einzelnen Verwaltungsbereichen bzw.
Behörden der öffentlichen Verwaltung
·
Kostenersparnis
·
Verbesserung
der Transparenz des Verwaltungshandelns und Bürgerbeteiligung
·
Verbesserung
der Arbeitsbedingungen für die Verwaltungsmitarbeiter und damit Steigerung der
Motivation
Das Nutzungspotential für den Bürger liegt insbesondere in der höheren
Dienstleistungsqualität, dass er unabhängig von Ort und Zeit auf die
Verwaltungsdienstleistungen zugreifen kann. Allerdings herrscht in der
Fachliteratur derzeit die Einschätzung vor, dass der Bürger nur eine untergeordnete
Rolle bei der Entwicklung von E-Government-Lösungen spielt, da die
durchschnittlichen Kontakte eines Bürgers mit seiner Verwaltung auf nur ein-
bis dreimal im Jahr geschätzt werden. Somit richten sich die Bedarfe des
Bürgers derzeit eher auf einfache Angebote aus, wie gute Informationen,
Formulare oder elektronische Lösungen bei Standardgeschäften.
Die Anforderungen der
Wirtschaft sind so unterschiedlich wie die dort vertretenen Nutzergruppen, wie
z.B. kleine und mittelständische Unternehmen, Selbstständige, Großunternehmen
oder Existenzgründer. Einheitliches Kriterium für einen E-Government-Prozess
für alle dürfte die Gesamtdauer eines Genehmigungsverfahrens sein oder die
Zeitersparnis für das Unternehmen.
Die Verwaltung kann bezüglich ihrer
Organisation oder in Bezug auf die Verwaltungsmitarbeiter Nutzungspotentiale
erschließen. Untersuchungen haben gezeigt, dass erst durch Transaktionen sich
für die Verwaltung finanzielle Einsparungen durch Effizienz- und
Effektivitätssteigerungen erzielen lassen. Der Mitarbeiter profitiert durch
einfache Informationsanwendungen für Routinearbeiten, so dass mehr Zeit für die
Beratungsdienstleistung verbleibt.
II Nationale E-Government-Strategie
Am 24.09.2010 wurde eine
nationale E-Government-Strategie für Deutschland vom IT-Planungsrat
beschlossen. In dem Planungsrat sind der Bund, die Länder und die kommunalen
Spitzenverbände vertreten. Ziel der E-Government-Strategie ist es, die
Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Verwaltungen zu erhöhen und ein
Zusammenwirken über Behördengrenzen hinweg zu ermöglichen. Orientiert an den
Nutzen für die Bürger, die Unternehmen und die Verwaltungen sollen
Verwaltungsabläufe so modifiziert werden, dass behördenübergreifende Prozesse
abgebildet werden können, unter Beachtung von Datenschutz und Datensicherheit
und nach Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe von Bürgern und
Unternehmen an der politischen Meinungsbildung oder der Gestaltung von
Planungs- und Entscheidungsprozessen. Zur Umsetzung der nationalen
E-Government-Strategie soll ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden.
III Zusammenarbeit mit citeq
Im EDV-Bereich besteht
eine intensive und enge Zusammenarbeit mit der citeq der Stadt Münster (im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen
Vereinbarung). In den Arbeitskreisen werden seit einigen Jahren
E-Government-Lösungen beraten und sukzessive umgesetzt. Als „Meilenstein“ wird
in diesem Zusammenhang die Einführung des neuen Personalausweises (nPA) zum 01.11.2010 betrachtet, der eine eID -
elektronische Identität – enthält.
Die Stadt Münster hat
Anfang März 2011 einige Antragsprozesse über eID-Formulare realisiert, wie z.B.
die Abholung von Elektroschrott oder einen Kartenbestellservice aus dem Bereich
Liegenschaften.
Die daraus gewonnenen
Erfahrungen ergeben sich aus den Fragen:
·
Welche
Dienstleistungen werden in der Kommune häufig nachgefragt?
·
Entstehen
auch für die Verwaltung Synergien durch die E-Government-Lösung? Ist z.B. eine
medienbruchfreie Weiterverarbeitung der Antragsdaten im Fachverfahren möglich?
·
Ist eine
Authentifizierung des Bürgers für die gewünschte Dienstleistung überhaupt
notwendig? So ist seit Jahren z.B. eine Reservierung eines
Kfz-Wunschkennzeichens ohne einen Identitätsnachweis möglich.
Zum 01.05.2011 – nach
einem halben Jahr mit dem neuen Personalausweis – hat das Kraftfahrtbundesamt
eine elektronische Punktestandabfrage realisiert. Die Antwort erhält der Bürger
aber zunächst per Post, da der sichere E-Mail-Verkehr erst durch die Einführung
von De-Mail möglich sein wird. Diese Punktestandabfrage ist – so die Fachpresse
– eine von bislang 15 funktionierenden Online-Anwendungen, die mit dem neuen
Personalausweis genutzt werden können; allein vier dieser Verfahren sind von
der citeq entwickelt worden. Die Nutzung dieser sogenannten intelligenten eID-Formulare
durch die Bürgerschaft war bei der Stadt Münster in den ersten beiden
Betriebsmonaten sehr gering (nur rund 1,4% der Anträge wurden mit den nPA
abgewickelt).
Die citeq beabsichtigt,
bis zum Jahresende den Fachgremien eine Liste von 10 – 20 eID-Formularen
vorzulegen, sowie hierfür die Kosten zu beziffern.
IV Umsetzungsstand bei der
Gemeindeverwaltung Nottuln
Durch gesetzgeberische
Vorgaben gehören E-Government-Lösungen bereits zum Verwaltungsalltag.
So wurde zum 28.12.2009
die so genannte EU-Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Zur
Verbesserung des EG-Binnenmarktes sind so genannte Einheitliche Ansprechpartner
(EA) benannt worden, um die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen
sicher zu stellen. Die Gemeinde Nottuln hat sich wie alle Kommunen im Kreis
Coesfeld mit den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf sowie mit den Städten
Hamm und Münster zu dem EA Münsterland zusammen geschlossen (www.ea-muensterland.de). Die
Nachfrage nach dieser Dienstleistung ist bislang sehr gering; Nottuln hat bis
heute keine Nachfrage zu verzeichnen.
Die vom Land NRW
gegründete Gesellschaft d-NRW
(www.d-NRW.de) hat sich zur Aufgabe gemacht, E-Government-Anwendungen, die den
Geschäftsverkehr zwischen Verwaltungs-einrichtungen, Bürgern und Wirtschaft
wesentlich erleichtern, zu entwickeln und zu betreiben.
In Nottuln sehr intensiv
genutzt werden die elektronischen Melderegisterauskünfte. Hierbei werden
einfache Melderegisteranfragen über zentrale Internet-Portale abgewickelt, so
z.B. Adressanfragen von Inkassofirmen oder anderen Kommunen. Neben den Städten
Münster und Hamm ist die Gemeinde Nottuln im Bereich der citeq die einzige
Kommune, die diesen Service nutzt. Im Jahr 2010 konnten auf diesem Weg 2000
Melderegisterabfragen online abgewickelt werden.
Die citeq der Stadt
Münster betreibt zusammen mit dem Rechenzentrum Niederrhein das sogenannte
DataClearing-Verfahren; DataClearing NRW (www.dataclearing-nrw.de) stellt sicher, dass die Kommunen ihrer
gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Rückmeldung im Meldewesen seit
dem 1.1.2007 nachkommen können.
Ebenfalls über d-NRW wird
die sogenannte Verwaltungssuchmaschine NRW (VSM) betrieben. Über eine
benutzerfreundliche Suchmaske können Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, aber
auch Verwaltungsmitarbeiter gezielt nach Informationen und Zuständigkeiten im
Hinblick auf Verwaltungsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen suchen. Dieser
Service ist über die Homepage der Gemeinde Nottuln unter der Rubrik „Suche“ zu
finden.
Die Gemeinde Nottuln hat
im Rahmen des Modellprojektes „Vernetzte Verwaltung“ – das d-NRW im Auftrag des
Innenministeriums begleitet hat – das Finanzzentrum Baumberge gegründet. Um die
interkommunale Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter ausbauen zu können, wird
derzeit mit der citeq ein Dokumentenmanagementsystem eingerichtet, damit die
Buchungsbelege ab dem 01.01.2012 in digitaler Form „fließen“ können.
Ein stark nachgefragter
Dienst ist der sogenannte Online-Wahlschein, d.h. der/die Wahlberechtigte kann
mit seiner Wahlscheinnummer online Briefwahlunterlagen anfordern. Bei der
Landtagswahl 2010 nutzten 418 Nottulner Bürger/innen diesen angebotenen Service
und entspricht einem Anteil von 16,4 % aller Briefwähler/innen.
Neben diesen auf
Transaktion angelegten E-Government-Lösungen gibt es viele selbstverständliche
Informationsangebote wie z.B. die Internetseite, die dort enthaltenen
Informationen der Baumberge-Touristik oder das Rats-Informations-System. Darüber hinaus gehört im Bereich der
Kommunikation der E-Mail-Kontakt zum heutigen Standard.
Die aufgeführten Beispiele
sowie die Aktivitäten der citeq im Bereich der sogenannte intelligenten
e-Formulare machen deutlich, dass immer mehr E-Government-Lösungen auch zum
Standard bei der Gemeindeverwaltung Nottuln werden. Künftige Lösungen sollten
wie bisher unter Berücksichtigung der Nutzernachfrage, der Qualifizierung der
Mitarbeiter, der technischen Entwicklungen und des organisatorisch Machbaren
umgesetzt werden.
Neben dem eingeführten nPA
mit der eID wird aus Sicht der Fachleute das Projekt De-Mail einen weiteren
Entwicklungsschub bringen. De-Mail ist im Rahmen des Modernisierungsprogramms
„Vernetzte und transparente Verwaltung“ der Bundesregierung entwickelt worden
und soll den sicheren E-Mail-Verkehr gewährleisten (das Gesetz ist am
03.05.2011 in Kraft getreten).
Bei
allen kommenden Entwicklungen im E-Government-Bereich wird aber der persönliche
Kontakt der Bürgerschaft mit ihrer Verwaltung weiterhin einen hohen Stellenwert
haben.
Finanzielle Auswirkungen:
Für jede neue E-Government-Lösung müssen
die Kosten einzeln beziffert werden und Finanzmittel über die Haushaltsplanung
bereit gestellt werden.