Betreff
Beschluss des Einzelhandelskonzept einschließlich der zentralen Versorgungsbereiche und der Sortimentsliste (Nottulner Liste)
Vorlage
087/2010
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

1. Die in Anlage 1 gegebenen Abwägungsempfehlungen werden beschlossen.

 

2. Die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes der Gemeinde Nottuln (siehe Anlage 2) wird als Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossen.

 

3. Die Sortimentsliste (siehe Anlage 2; S. 68-71, Tab. 20) für die Gemeinde Nottuln („Nottulner Liste“) wird beschlossen. Abweichend von der in Anlage 2 aufgeführten Liste wird unter dem Oberpunkt Nichtzentrenrelevante Sortimente / Gartenartikel das Sortiment „aus 47.59.9: Einzelhandel mit Haushaltsgegenständen a. n. g. (daraus NUR: Koch- und Bratgeschirr für den Garten)“ gestrichen.

 

4. Die Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche:

-          Hauptzentrum Ortszentrum (bestehend aus Hauptgeschäftsbereich und funktionalem Ergänzungsbereich) (siehe Anlage 2, S. 50, Abb. 18)

-          Nahversorgungszentrum Appelhülsener Straße ohne Entwicklungsbereich (siehe Anlage 2, S. 50, Abb. 18)

-          Nahversorgungszentrum Appelhülsen (siehe Anlage 2, S. 59, Abb. 19)

werden beschlossen.


Sachverhalt:

 

Verfahren

Seit März 2009 wurde durch das Dortmunder Gutachterbüro Stadt + Handel die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes der Gemeinde Nottuln erarbeitet. Das zuvor im Jahr 2004 entwickelte Einzelhandelskonzept, die anschließend vorgenommene Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereichs und die Sortimentsliste („Nottulner Liste“) genügen den aktuellen Anforderungen an Einzelhandelskonzepte nicht mehr.

 

Nachdem die wichtigsten Inhalte am 25.11.2009 im Gemeindeentwicklungsausschuss vorgestellt wurden (VL 198/2009) und beschlossen wurde, auf dieser Grundlage die Bearbeitung weiter zu führen, hat im Zeitraum vom 05.02.2010 bis zum 05.03.2010 eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Behörden stattgefunden. Die eingegangenen Stellungnahmen können Anlage 1 entnommen werden.

 

 

Bestandteile des Einzelhandelskonzepts

Die in Anlage 2 abgedruckte Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes gliedert sich in folgende wesentlichen Bestandteile:

 

1. Markt- und Standortanalyse (Kapitel 2)

Das Kapitel besteht einerseits aus der Untersuchung und Bewertung der im Rahmen des Einzelhandelskonzeptes wichtigen Angebots- und Nachfragedaten (Kaufkraft, Kaufkraftabfluss), andererseits aus der flankierenden Analyse städtebaulicher Merkmale der bedeutenden Einzelhandelsstandorte (Verteilung der Verkaufsflächen in Nottuln).

 

 

2. Leitlinien für die künftige Einzelhandelsentwicklung (Kapitel 3)

In diesem Abschnitt werden einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen für Einzelhandelsansiedlungen erläutert und andererseits der tatsächliche absatzwirtschaftliche Entwicklungsrahmen dargestellt. So lässt sich beispielsweise erkennen in welchen Sortimenten Potential für weitere Einzelhandelsansiedlungen besteht.

 

 

3. Zentren- und Nahversorgungskonzept (Kapitel 4.1 und 4.2)

Das Zentrenkonzept ist der Kern des Einzelhandelskonzepts. Hier erfolgt die genaue Abgrenzung der zentralen Hauptversorgungsbereiche. Bislang war in Nottuln nur ein einzelner Hauptversorgungsbereich durch den Rat festgelegt. Die Festlegung entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen an eine Zentrenfestlegung. Das Gutachterbüro schlägt stattdessen eine feinere Untergliederung vor:

 

-          Hauptzentrum Ortszentrum

-          Nahversorgungszentrum Appelhülsener Straße in Nottuln

-          Nahversorgungszentrum Appelhülsen

 

Die markantesten Änderungen treten dabei im Verlauf der Appelhülsener Straße „zwischen den Kreisverkehren“ auf. Bislang war dieser Bereich komplett als Hauptversorgungsbereich ausgewiesen. In Erörterungsgesprächen mit dem Gutachterbüro, der IHK und der Bezirksregierung hat sich gezeigt, dass eine solch weit reichende Abgrenzung weder fachlich haltbar, noch im Sinne einer Stärkung des Ortskerns vertretbar ist.

 

Stattdessen hat das Gutachterbüro vorgeschlagen, den Hauptversorgungsbereich in seiner Größe zu verringern. Neben dem historischen Ortskern soll jedoch weiterhin zumindest am nordwestlichen Kreisverkehr zentrenrelevanter Einzelhandel unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. In diesem funktionalen Ergänzungsbereich zum historischen Ortskern sollen sich die Geschäfte mit zentrenrelevanten Sortimenten ansiedeln, die auf Grund des benötigten Flächenzuschnitts dort keine geeigneten Räumlichkeiten finden.

 

Zielvorstellung der Gemeinde sollte sein, die Verknüpfung dieses Bereiches mit dem historischen Ortskern entlang der Mauritzstraße zu verbessern. In Folge des Baus der Umgehungsstraße kann hier mittelfristig eine attraktive fußläufige Verbindung – ggf. einhergehend mit weiteren Geschäftseröffnungen – entstehen.

 

Im Bereich des südöstlichen Kreisverkehrs befinden sich bereits mehrere Lebensmittelgeschäfte (ein Vollsortimenter und zwei Discounter) mit ergänzenden Angeboten. Dieser Bereich wird als Nahversorgungszentrum zur Versorgung der Bevölkerung insbesondere des östlichen Teils Nottulns angesehen.

 

Darüber hinaus bildet der gesamten Bereich beidseits der Appelhülsener Straße zwischen den Kreisverkehren den bevorzugten Standort zur Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsgeschäfte mit nichtzentrenrelevanten Sortimenten.

 

 

4. Sortimentsliste (Kapitel 4.4)

Die Sortimentsliste („Nottulner Liste“) legt spezifisch bezogen auf die Verhältnisse in Nottuln fest, welche Sortimente zentrenrelevant, nahversorgungsrelevant oder nichtzentrenrelevant sind.

 

Im Vergleich zur gegenwärtig geltenden „Nottulner Liste“ gemäß Ratsbeschluss vom 11.11.2008 (VL 341/2008) kann diese nun durch die aktuellen empirischen Erkenntnisse des Konzepts hergeleitet werden und sich hinsichtlich ihrer Systematik an einer einheitlichen und eindeutigen Vorgabe orientieren (Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistisches Bundesamtes, Ausgabe 2008). Auf Grund einer Stellungnahme der Bezirksregierung (siehe Anlage 1) wird jedoch empfohlen, die vom Gutachter empfohlene Liste unter einem Punkt geringfügig zu ändern (Klassifikation von „Koch- und Bratgeschirr für den Garten“ als nichtzentrenrelevantes Sortiment).

 

 

5. Ansiedlungsleitsätze (Kapitel 4.5)

Fünf knappe Leitsätze geben einen Überblick, welcher Einzelhandel, wo im Gemeindegebiet angesiedelt werden soll und stellen so die zusammengefasste Zielsetzung der Gemeinde für die künftige Entwicklung im Bereich Einzelhandel dar.

 

Sie stellen ein Regelwerk dar, das transparente, nachvollziehbare Zulässigkeitsentscheidungen und bauleitplanerische Abwägungen vorbereitet und dienen dazu, die Standortstruktur des Nottulner Einzelhandels insbesondere zugunsten einer gesamtgemeindlich gewinnbringenden Entwicklung zu sichern und weiter auszugestalten.

 

 

Bedeutung des Einzelhandelskonzeptes

Das Einzelhandelskonzept einer Gemeinde stellt die Zielvorstellung zur künftigen Einzelhandelsentwicklung dar und soll die Richtschnur für alle künftigen Planungen im Bereich Einzelhandel sein. Der Einzelhandelserlass 2008 des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW führt dazu aus:

 

„Bei der Steuerung der Einzelhandelsentwicklung kommt den Gemeinden eine entscheidende Rolle zu. Mit der Aufstellung von gemeindlichen Einzelhandelskonzepten und der planungsrechtlichen Umsetzung dieser Konzepte durch Bauleitpläne unterstützen die Gemeinden die Entwicklung ihrer Zentren und Nebenzentren und sorgen für eine ausgewogene Versorgungsstruktur.  Einzelhandelskonzepte schaffen einerseits eine Orientierungs- und Beurteilungsgrundlage für die Bauleitplanung und die Beurteilung von Vorhaben, andererseits Planungs- und Investitionssicherheit für Einzelhandel, Investoren und Grundstückseigentümer.“

Quelle: Einzelhandelserlass 2008 des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW

 

Nach geltender Rechtsprechung ist es inzwischen nahezu nicht mehr möglich, ohne ein aktuelles, umfassendes und gesamtstädtisches Einzelhandelskonzept begründeter Maßen Einfluss auf die Entwicklung des Einzelhandels zu nehmen.

 

Das Einzelhandelskonzept erlangt dabei zunächst selbst keine unmittelbare Rechtswirkung; die praktische Umsetzung erfolgt über Festsetzungen in Bauleitplänen. Hier erfüllt das Einzelhandelskonzept jedoch eine unverzichtbare Funktion als städtebauliche Rechtfertigung. Es gibt Auskunft über das Erfordernis und die Begründung bestimmter Festsetzung und wird als städtebauliches Entwicklungskonzept zum abwägungsrelevanten Belang.

 

Darüber hinaus ist ein Einzelhandelskonzept – hier vor allem die Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche – im landesplanerischen Anpassungsverfahren gem. § 32 Landesplanungsgesetz bei großflächigen Einzelhandelsvorhaben, ein erforderlicher Nachweis, für die landesplanerische Zustimmung der Bezirksregierung.

 

Dabei sind Einzelhandelskonzepte nicht als Verhinderungsinstrument zu verstehen – vielmehr geht es darum, Einzelhandel an der richtigen Stelle in der Gemeinde, in der richtigen Größe und mit den an den Ort angepassten Sortimenten zuzulassen. Dabei soll explizit nicht der status-quo festgeschrieben werden, sondern auch Raum für eine Weiterentwicklung gegeben werden.

 

 

Aktuelle Rechtsprechung

Auf rechtlicher Ebene hatte das Einzelhandelskonzept durch die Neufassung des § 24a Landesentwicklungsprogramm (LEPro) NRW im Jahr 2007 auch auf Grund der landesplanerischen Vorgaben zur Steuerung (großflächiger) Einzelhandelsvorhaben an Bedeutung gewonnen.

 

Die jüngste Rechtsprechung hat die Bedeutung des § 24a LEPro jedoch stark relativiert. Die Urteile des Verfassungsgerichtshofs NRW vom 26.08.2009 (18/08) sowie insbesondere des Oberverwaltungsgerichtes NRW vom 30.09.2009 (10 A 1676/08) mit der hierzu erfolgten Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht vom 14.04.2010 (4 B 78.09) erklären die Regelung für teilweise verfassungswidrig (Eingriff in die kommunale Planungshoheit) bzw. stellen klar, dass § 24a LEPro kein verbindliches Ziel der Raumordnung darstellt.

 

Das bedeutet, dass § 24a LEPro in Zukunft höchstens noch einen Grundsatz der Landesplanung darstellt. Als solcher kann er jedoch im Zuge der Abwägung mit anderen Belangen durch die Gemeinde überwunden werden. Die gerichtlichen Entscheidungen verringern die Bedeutung des Einzelhandelskonzeptes nicht. Denn gerade als Argumentation im Rahmen einer Abwägung ist eine umfassende Datengrundlage und ein Zielkonzept erforderlich. Auch für jede Regelung zum Einzelhandel in einem Bebauungsplan bleibt ein umfassendes Einzelhandelskonzept erforderlich.

 

 

Weiteres Vorgehen

Das Einzelhandelskonzept ist wie oben beschrieben für sich genommen gegenüber z.B. Antragstellern nicht rechtsverbindlich. Es stellt jedoch eine Selbstbindung der Gemeinde dar. Das heißt insbesondere auf Ebene der Bauleitplanung sollte die Gemeinde die Zielvorstellung des Einzelhandelskonzepts konkretisieren und umsetzen.

 

Dies betrifft gegenwärtig insbesondere folgende Gebiete:

 

1. Bereich Appelhülsener Straße

In Nottuln steht die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes in engem Zusammenhang mit der künftigen Entwicklung an der Appelhülsener Straße. Da im historischen Ortskern selbst auf Grund der kleinteiligen Bebauung keine oder kaum Raumangebot für größere Ladenlokale besteht, bietet der Bereich Appelhülsener Straße eine wichtige ergänzende Funktion, um Nottuln dauerhaft als attraktiven Einkaufsort zu erhalten. Andererseits besteht die Gefahr, dass ein unbegrenztes Wachstum (in sensiblen Warensegmenten) im Bereich der Appelhülsener Straße den historischen Ortskern als Einzelhandelsstandort schwächt.

 

Ohne Einzelhandelskonzept ist hier weder die Verhinderung unerwünschter Tendenzen möglich, die den historischen Ortskern weiter schwächen, noch ist das Zulassen anderer Vorhaben möglich, die für die Attraktivität Nottulns als Einzelhandelsstandort positiv wirken, ohne das Zentrum zu schädigen (z.B. Erweiterungen im Segment der Baumarktartikel oder der Nahversorgung). Somit kann auch erst nach Beschluss des Einzelhandelskonzepts das Bebauungsplanverfahren Nr. 118 „Zentraler Hauptversorgungsbereich; Abschnitt Appelhülsener Straße“ weitergeführt werden (Aufstellungsbeschluss siehe VL: 322/2008).

 

2. Gewerbe- und Industriegebiet Beisenbusch

Im Gewerbe- und Industriegebiet „Beisenbusch“ sind umfassende Regelungen zum Einzelhandel erforderlich. In Teilbereichen ist der gänzliche Ausschluss von Einzelhandel vorgesehen, in anderen Teilbereichen ist wiederum nur der Handel mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten vorgesehen. Insbesondere um über eine aktuelle und empirisch gesicherte „Nottulner Liste“ zu verfügen, ist der Beschluss zum Einzelhandelskonzept vor Abschluss des Bebauungsplanverfahrens Nr. 109 „Beisenbusch“ erforderlich.

 

3. Sonstige Gewerbe- und Industriegebiete

In den bestehenden Bebauungsplänen zu den unterschiedlichen Gewerbe- und Industriegebieten im Gemeindegebiet wird mittelfristig eine Anpassung der Festsetzungen erforderlich sein, um deren Rechtssicherheit dauerhaft zu gewährleisten.


Finanzielle Auswirkungen:

keine


Anlagen:

Anlage 1:            Stellungnahmen und Abwägungsempfehlungen

Anlage 2:             Entwurf des Einzelhandelskonzeptes