Beschlussvorschlag:
Das Verfahren wird ruhen gelassen, bis seitens der NRW-Ministerien und
der Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Windenergienutzung geklärt
sind. Ferner soll auf die juristische Kommentierung des OVG-Urteils gewartet
werden. Auf dieser Basis soll eine Überarbeitung des Gutachtens in Auftrag
gegeben werden. Die Verwaltung gibt spätestens im Frühjahr 2014 einen
Sachstandbericht.
Sachverhalt:
In der Sitzung des Ausschusses für Gemeindeentwicklung, Umwelt und Ordnungswesen vom 24.04.2013 (Ratssitzung vom 11.06.2013) wurde beschlossen, die Überarbeitung der bestehenden Konzentrationszonen für Windenergie auf Basis des vorliegenden Gutachtens des Büros Weil, Winterkamp, Knopp (WWK) fortzusetzen (vgl. Vorlage 060/2013). Das Gutachten kann unter http://www.nottuln.de/bauen_planen_umweltschutz.htm heruntergeladen werden. Im Anschluss an die Ausschusssitzung vom 24.04.2013 wurden Gespräche mit den Flächeneigentümern geführt sowie ein informelles Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt. Um eine gemeindliche Beteiligung an einem Windrad oder Windpark zu prüfen, haben Gespräche mit Windenergie-Projektentwicklern stattgefunden.
Zwischenzeitlich hat allerdings das Oberverwaltungsgericht
(OVG) Münster mit dem Urteil 2 D 46/12.NE vom 1. Juli 2013 eine maßgebliche Entscheidung zum
Verfahren zur Ausweisung von Flächen für die Windenergie getroffen, die auch
das weitere Vorgehen in Nottuln betrifft.
Diese Ausschussvorlage
wird daher wie folgt gegliedert:
1. Grundsätzliches
Vorgehen zur Ausweisung von Konzentrationszonen
2. Neuerungen und
Konsequenzen aus dem Urteil des OVG Münster vom 01.07.2013
3. Auswertung des
Beteiligungsverfahrens
3a) Gespräche mit
den Flächeneigentümern
3b) Ergebnisse des
Bürgerbeteiligungsverfahrens
Die Ergebnisse der Gespräche mit den Projektentwicklern werden in einer
gesonderten nicht-öffentlichen Sitzungsvorlage vorgestellt. Die Öffentlichkeit
wird zu einem späteren Zeitpunkt informiert.
1. Grundsätzliches Vorgehen zur Ausweisung
von Konzentrationszonen
Windkraftanlagen sind nach § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch im Außenbereich außerhalb bebauter Ortschaften privilegiert zulässig. Sie haben genauso wie zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebe ein Anrecht auf eine Genehmigung, wenn sie alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
Die Gemeinde kann sich entscheiden, Windkraftanlagen nur in bestimmten Bereichen des Gemeindegebiets zuzulassen, den sogenannten „Konzentrationszonen“. In Nottuln gibt es seit gut 10 Jahren zwei solche Zonen (Buxtrup und Hastehausen). Voraussetzung für die Ausweisung von Konzentrationszonen ist, dass die Gemeinde ihre Auswahl von Flächen anhand eines schlüssigen Gesamtkonzepts für das ganze Gemeindegebiet gut begründet. Dabei muss nicht nur klargestellt werden, warum bestimmte Flächen für die Windenergienutzung ausgewählt wurden, sondern auch, warum der Rest des Gemeindegebiets nicht als Standort ausgewählt wurde.
In der Praxis hat sich ein mehrstufiges Verfahren bewährt, dem auch das Gutachten des Büros WWK folgt:
Im ersten Arbeitsschritt werden „Tabuzonen“ ermittelt, die sich für die Nutzung der Windenergie nicht eignen. Dabei wird unterschieden zwischen „harten“ und „weichen“ Tabuzonen (vgl. Gutachten WWK, S. 59 f.).
Die „harten Tabuzonen“ sind Zonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen absolut ausgeschlossen sind. Diese Gründe werden im Gutachten von WWK „Ausschlusskriterien“ genannt (vgl. Kapitel 4.2 Gutachten WWK). Auf den Zuschnitt der harten Tabuzonen hat die Gemeinde keinen Einfluss.
Die „weichen Tabuzonen“ sind Zonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen zwar tatsächlich und rechtlich möglich sind, in denen aber nach den städtebaulichen Vorstellungen, für die die Gemeinde eigene Kriterien entwickeln darf, die Errichtung von Windenergieanlagen von vornherein ausgeschlossen werden soll. Hier spricht das Gutachten von „Abwägungskriterien“ (vgl. Kapitel 4.3 Gutachten WWK). Die Auswahl der weichen Tabukriterien muss begründet werden. Die weichen Tabukriterien sind die „Stellschrauben“, mit denen die Gemeinde Einfluss auf den Zuschnitt der Potentialflächen nehmen kann.
In einem zweiten Arbeitsschritt werden aus den danach
verbleibenden Potentialflächen
diejenigen Standorte ausgesucht, die zu Konzentrationszonen für Windenergie
werden sollen. Dies geschieht nach den Regeln der Bauleitplanung unter
Beachtung des Abwägungsgebots. Das heißt, die öffentlichen Belange, die gegen die
Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem
Anliegen abzuwägen, an geeigneten Standorten Raum für Windenergienutzung zu
schaffen, wie es vom Gesetzgeber beabsichtigt ist. Besonders wichtig
ist, dass im Ergebnis der
Windenergie in „substanzieller Weise Raum verschafft“ wird. Eine
„Verhinderungsplanung“ ist also nicht zulässig. Welche Kriterien und Grenzwerte
anzuwenden sind, damit „substantiell Raum“ geschaffen wird, ist jedoch
gesetzlich nicht festgelegt worden. Zur Beurteilung der Frage muss daher die
aktuelle Rechtsprechung herangezogen werden. Wenn die Gemeinde es nicht
schafft, mit ihren Konzentrationszonen ausreichend Raum für die
Windenergienutzung zu schaffen, darf sie keine Konzentrationszonen für Windenergienutzung
ausweisen. Die Folge davon wäre, dass Windenergieanlagen dann wieder
prinzipiell überall im Außenbereich der Gemeinde zulässig sind.
2. Neuerungen und Konsequenzen aus dem
Urteil des OVG Münster vom 01.07.2013
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit seinem Urteil 2 D 46/12.NE vom 01.07.2013
1. eine gravierende Neubewertung der langjährigen kommunalen Praxis hinsichtlich der Abgrenzung von harten und weichen Tabuzonen bei der Potentialanalyse vorgenommen und
2. die Anforderungen an das „substantiell Raum schaffen“ erweitert.
Zu 1.: Harte und weiche Tabu-Kriterien
Bislang war nicht definiert, was „harte“ und was „weiche“ Tabu-Kriterien sind. Das OVG Urteil vom 01.07.2013 führt erstmals eine Liste von harten Tabukriterien auf. Es erklärt einen Teilflächennutzungsplan für unwirksam, weil fehlerhaft zu viele Kriterien zu den „harten“ Tabuzonen zugeordnet wurden und die Abwägung über den Plan fehlerhaft war. Vereinfacht lässt sich festhalten, dass das OVG wesentlich weniger als bisher angenommene Kriterien als „Tabu-Zonen“ für die Windenergienutzung gelten lässt. Viele ehemalige „harte“ Tabukriterien aus der gängigen Gutachterpraxis dürfen nach dem Urteil nur noch als „Abwägungskriterium/weiches Tabukriterium“ herangezogen werden. Im Flächennutzungsplanverfahren und bei der Abwägung muss deutlich zwischen den harten und den weichen Tabukriterien unterschieden werden. Das vorliegende Gutachten von WWK, das den Regeln der Praxis vor dem Urteil entspricht, wurde seitens der Verwaltung hinsichtlich dieser neuen Anforderungen überprüft.
An einigen Beispielen soll verdeutlicht werden, wie sich das Urteil auf die ermittelten Potentialflächen auswirkt:
Keine
pauschalen Immissionsschutzabstände um Siedlungsbereiche
Das OVG-Urteil sieht pauschale Immissionsschutzabstände zu
Siedlungsbereichen als „weiche“ Tabuzonen an. Das vorliegende Gutachten von WWK behandelt diese
„Pufferzonen“ um die Siedlungsbereiche aber als „hartes“ Tabukriterium. Das
Gericht räumt ein, dass es ausnahmsweise Abstände geben kann, die so gering
sind, dass sie zwangsläufig und auf Dauer zum Nachteil der Nachbarschaft oder
gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen; diese
Abstände dürften dann auch als harte Tabukriterien gewertet werden. Wie groß
diese Abstände sind, gibt das Gericht jedoch nicht an. Ob die in Nottuln
gewählten Schutzabstände von 350 m für Wohnbebauung im Außenbereich und 500 m
für geschlossene Ortschaften den harten oder weichen Tabukriterien zuzuordnen
sind, kann derzeit nicht abschließend geklärt werden.
Keine
„Pufferzonen“ um Schutzgebiete
Das Gutachten von WWK verwendet die im Windenergieerlass NRW
empfohlenen „Pufferzonen“ um Schutzgebiete für Flora und Fauna als harte
Tabukriterien. Damit soll Vorsorge zur Einhaltung des Tötungs- und
Störungsverbots für wildlebende Arten getroffen werden. Darüber hinaus sollen
durch den Ausschluss sensibler Bereiche von Anfang an die Kosten für
Ausgleichsmaßnahmen verringert werden. Nach S. 23 des o.g. OVG-Urteils sind
„Pufferzonen“ um FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete, Biotope usw. aber eine reine
Konfliktvorsorge und daher kein hartes Tabu-Kriterium für Windenergienutzung.
Das Naturschutzrecht sieht Ausnahmegenehmigungen vor, wenn
Kompensationsmaßnahmen für den Eingriff in den Lebensraum bedrohter Tierarten
durchgeführt werden. Nach dem OVG-Urteil darf eine Potentialflächenanalyse
nicht von vornherein Flächen ausschließen, in denen eine Windkraftnutzung über eine
solche Ausnahmegenehmigung theoretisch möglich wäre. Die Gemeinde kann die
Schutzabstände trotzdem als „weiches Tabu-Kriterium“ halten. Dabei kann sie
sich z.B. auf die Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung der FFH-Richtline oder
den Windkraftanalagenerlass NRW 2011 berufen, die aus naturschutzfachlichen
Gründen Schutzabstände für sinnvoll erachten.
Landschaftsschutzgebiete
als „harte“ Tabuzonen?
„Unter Umständen“ können auch Landschaftsschutzgebiete als harte
Tabuzonen behandelt werden. Im Gutachten werden die Landschaftsschutzgebiete
bislang als weiche Tabuzonen angesehen, da eine Entlassung aus dem
Landschaftsschutz im Einzelfall möglich sein kann und ein Großteil des
Gemeindegebiets im Landschaftsschutzgebiet liegt. Diese Zuordnung der
Landschaftsschutzgebiete sollte zunächst in Hinblick auf das „substantiell Raum
schaffen“ für Windenergie bestehen bleiben. Die genauen „Umstände“ für die
korrrekte Zuordnung zu den harten oder weichen Kriterien nennt das Urteil
nicht. Als Anhaltspunkt für die Beurteilung kann der Schutzzweck des jeweiligen
Landschaftsschutzgebietes dienen. Einen weiterer Anhaltspunkt kann eine
Stellungnahme der unteren Landschaftsbehörde (ULB) sein, in der für jedes
Potentialgebiet eine mögliche Entlassung aus dem Landschaftsschutz beurteilt
und begründet wird. Bislang liegt seitens der ULB nur eine überschlägige
großflächige Beurteilung für das Gemeindegebiet von Nottuln vor. Im Rahmen des
formellen Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplans wird die Gemeinde
die ULB um eine differenzierte Stellungnahme bitten.
Weitere
Änderungen
Nach dem OVG-Urteil könnte der Segelflugplatz
selbst als Infrastruktureinrichtung zu den harten Tabukriterien gerechnet
werden. Die Pufferzone um den Flugsektor ist aber in jedem Fall ein weiches
Tabukriterium. Dies wirkt sich auf den Zuschnitt der Potentialflächen Stockum
Nord und Süd aus. Es ist zu bedenken, dass die Fläche des Flugsektors für den
Modellflugplatz nur verpachtet ist. Wird die Pacht nicht verlängert, ist die
Nutzung als Modellflugplatz hinfällig. Andererseits ist der Flugplatz im
Flächennutzungplan eingetragen und kann nicht ohne weiteres anders genutzt
werden. Es ist daher zu prüfen, ob der Flugplatz insgesamt nur als weiches
Tabukriterium berücksichtigt werden soll.
Die gewählten harten Tabu-Schutzabstände zur
Autobahn und Bundestraßen müssen voraussichtlich auf die gesetzlich
vorgeschriebene Abauverbotsszone von 40 m bzw. 20 m reduziert werden.
Zwischenfazit
Nach dem Urteil ergeben sich weitaus mehr Flächen, die sich potentiell
für die Windenergienutzung eignen, als bisher angenommen. Die Potentialflächen
können z.B. näher an Wohngebiete und Schutzgebiete heranrücken. Die Flächen der
„harten Tabuzonen“ werden deutlich reduziert. In der Folge daraus verändert
sich auch der Maßstab für die Frage, ob die ausgewählten Potentialflächen in
Nottuln der Windenergie „substantiell Raum schaffen“.
Zu
2. „Substantiell Raum schaffen“
„Ein allgemeinverbindliches Modell für die Frage, anhand welcher Kriterien sich beantworten lässt, ob eine Konzentrationsflächenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 für die Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum schafft, gibt es nicht. Vielmehr ist diese Entscheidung den Tatsachengerichten nach den Umständen des Einzelfalls vorbehalten, die in eine Gesamtbetrachtung eingehen müssen“ (o.g. OVG-Urteil, S. 28).
Einen Kriterienkatalog zur Beurteilung führt das OVG nicht auf. Jedoch lassen sich aus der Rechtsprechung folgende mögliche Kriterien ableiten:
·
Verhältnis Fläche der
ausgewiesenen Konzentrationszonen zum Gemeindegebiet
·
Verhältnis der
Potentialflächen (Karte 2 + 3 Gutachten
WWK) zum Gemeindegebiet
·
Verhältnis der
„Nicht-Tabuflächen“ (Karte 1 Gutachten WWK) zum Gemeindegebiet
·
Verhältnis der
Potentialflächen zu den „Nicht-Tabu-Flächen“
·
Verhältnis Fläche
ausgewiesene Konzentrationszonen zu den „Nicht-Tabu-Flächen“
·
Verhältnis Fläche der
ausgewiesenen Konzentrationszonen zu den Potentialflächen
·
Vergleich der Ziele
für Stromerzeugung aus regenerativen Energien nach EEG § 1 Abs. 2 mit dem Zielerreichungsgrad in Nottuln
·
Vergleich der Ziele
der Landesregierung, den Anteil des Windstroms bis 2020 auf 15 % zu erhöhen mit
dem Zielerreichungsgrad in Nottuln
·
Anteil der
Landschaftsschutzgebiete/FFH-Gebiete/anderer der Windenergie entgegenstehender
Nutzungen im Gemeindegebiet, die nicht von der Gemeinde vorgegeben werden im
Verhältnis zu den ausgewiesenen Flächen für Windenergie
·
Anteil des
gemeindeeigenen Stromverbrauchs, der durch Windkraftanlagen oder erneuerbare
Energien gedeckt wird.
·
Installierte Leistung
der vorhandenen Anlagen
Nur eine Kombination aus
vielen dieser Kriterien kann zu einer korrekten Beurteilung des
„substantiell-Raum-Schaffens“ führen. Ein Kriterium allein ist nicht
ausschlaggebend für die Beurteilung. Mehrere Maßstäbe müssen miteinander
verglichen werden, die Besonderheit des Ortes muss herausgearbeitet werden. Das Gutachten sagt auf S. 104, dass davon
auszugehen ist, dass die bisherigen Konzentrationen ausreichend gewesen sind.
Es weist jedoch auch darauf hin, dass zur Veränderung der Darstellung der
Konzentrationszonen eine erneute Abwägung erforderlich ist. Anhand der
aktuellen Rechtsprechung ist sehr fraglich, ob die bisher im
Flächennutzungsplan bestehenden Zonen groß genug sind, um „substantiell Raum zu
schaffen“.
Weitere Konsequenzen und Rahmenbedingungen
1.
Der angekündigte Ministerialerlass zum Thema
„Artenschutz und Windenergie“ verzögert sich auf Grund des Urteils. Der Umgang
mit dem Artenschutz ist weiterhin unklar. Ein Verzicht auf eine detaillierte
Artenschutzprüfung im Flächennutzungsplan-Verfahren ist wahrscheinlich. Am
27.08.2013 fand ein Gespräch mit Vertretern des NABU Coesfeld statt, in dem das
Vorkommen von Uhus in Nottuln bestätigt wurde. Um weitere Erkenntnisse über das
Vorkommen bedrohter Arten in Nottuln zu erhalten, sind zusätzliche
Abstimmungsgespräche geplant. Auch aus den Stellungnahmen im frühzeitigen
Beteiligungsverfahren ergeben sich konkrete Hinweise auf geschützte Arten,
denen im Zuge des weiteren Verfahrens nachgegangen werden soll.
2.
Es ist ein neuer Windenergieerlass zu
erwarten. Der bisherige Erlass ist faktisch in weiten Teilen über die
Kriterienwahl bedeutungslos.
3.
Die politischen Vertreter sind gehalten, sich
mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinandersetzen und ggf. an den
Stellschrauben der „weichen“ Kriterien drehen und zum Beispiel die Abstände zu
Wohnsiedlungen erhöhen. Dies darf jedoch nicht im Widerspruch zur o.g.
Rechtsprechung stehen.
4.
Die Rahmenbedingungen für die Windkraft (EEG)
könnten nach der Bundestagswahl neujustiert werden.
Fazit
Die aktuelle Potentialanalyse ist in der vorliegenden
Form rechtlich nicht haltbar. Sie muss überarbeitet und an die neuen
rechtlichen Bedingungen angepasst werden. Die zukünftigen tatsächlichen
Steuerungsmöglichkeiten für die Gemeinde sind zurzeit unklar. Die bisherige
Steuerung im Flächennutzungsplan der Gemeinde ist voraussichtlich rechtlich
nicht dauerhaft haltbar, weil das
damals zu Grunde gelegte Gutachten den aktuellen Anforderungen des OVG nicht
entspricht.
Es wird daher
vorgeschlagen, das Verfahren ruhen zu lassen, bis seitens der NRW-Ministerien
und der Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Windenergienutzung
geklärt sind. Ferner soll auf die juristische Kommentierung des OVG-Urteils gewartet
werden. Auf dieser Basis soll eine Überarbeitung des Gutachtens in Auftrag
gegeben werden. Die Verwaltung gibt spätestens im Frühjahr 2014 einen
Sachstandbericht.
3) Auswertung
des Beteiligungsverfahrens
Trotz des ungewissen weiteren Verfahrensablaufs sollen im Folgenden die
Auswertung des Beteiligungsverfahrens und erste Lösungsansätze vorgestellt
werden.
3a) Gespräche
mit den Flächeneigentümern:
Die Flächeneigentümer wurden in der Zeit von Mai bis Juni 2013
persönlich in Gesprächen und Informationsveranstaltungen über die geplanten
Konzentrationszonen informiert. Die Resonanz der Flächeneigentümer gegenüber
der Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windkraft ist tendenziell
positiv. Eine Ausnahme bilden die Flächeneigentümer in der Zone Schapdetten,
die sich im Großteil gegen Windenergie aussprechen (s.u.).
3b) Ergebnisse
des Bürgerbeteiligungsverfahrens / ergänzende Hinweise
Die Möglichkeit der Beteiligung wurde rege genutzt. Rund 60 Bürgerinnen
und Bürger haben sich über die Telefonhotline informiert. Es sind rund 635
schriftliche Stellungnahmen eingegangen. Davon entfallen rund 565 auf
Unterschriftenlisten. Die rund 70 individuellen Stellungnahmen wurden zum Teil
von mehreren Familienmitgliedern oder Nachbarn gemeinsam unterzeichnet. Es
haben dadurch rund 100 Bürgerinnen und Bürger die individuellen Stellungnahmen
unterschrieben. Insgesamt haben sich somit rund 665 Bürgerinnen und Bürger
schriftlich zu Wort gemeldet. Eine ausführliche Auswertung der Stellungnahmen
findet sich in Anlage 2 zur Vorlage, eine anonymisierte Wiedergabe aller
Stellungnahmen in Anlage 3. Je Fraktion liegen die Stellungnahmen zusätzlich
als nicht-anonymisierte Kopie der Originale vor. Zusätzlich sei auf die
Dokumentation der Bürgerinformationsveranstaltung von 18.06.2013 verwiesen
(Anlage 1 zur Vorlage).
Die Unterschriftenlisten
enthalten ein klares Votum gegen zusätzliche Windenergieanlagen in den
Potentialflächen Stockum Nord und Süd sowie Schapdetten. Die individuellen
Stellungnahmen äußern sich zum Großteil ebenfalls negativ gegenüber weiteren
Windenergieanlagen in Nottuln. Rund ein Viertel der individuellen
Stellungnahmen äußert sich positiv gegenüber neuen Windkraftanlagen oder trifft
eine differenzierte Aussage (wie zum Beispiel, dass einige Flächen nicht geeignet
sind, andere hingegen schon).
Allgemeine Argumente, die zum Thema Windkraft vorgetragen werden,
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
·
Pro Windenergie zur Förderung der Energiewende
·
Finanzielle Vorteile für die Gemeinde und die
Bürger
·
Zweifel am Gesamtkonzept der Energiewende
·
Zweifel an Effizienz und Versorgungssicherheit
durch erneuerbare Energien / Abhängigkeit von Subventionen
·
„Strompreisexplosion“
·
Es sind schon ausreichend Anlagen vorhanden
·
Finanzielle Interessen hinter „ökologischem
Deckmantel“
·
Gesundheitsgefährdung durch Immissionen
·
Beeinträchtigung des Landschaftsbilds
·
Beeinträchtigung Artenschutz/Naturschutz
·
Sinkende Lebensqualität /
Attraktivitätsverlust für Nottuln als Wohnstandort / Einschränkung Tourismus
·
Wertverlust Grundstücke und Immobilien
·
Unzufriedene Bürger
·
Wünsche an die Standortauswahl / Hinweise zum
Gutachten
(jeweils nachzulesen in Anlage 2 zur Vorlage)
Zudem wurden Argumente vorgetragen, die sich konkret auf die einzelnen
Potentialflächen beziehen:
Potentialfläche
1: Hastehausen
Mehrere Nachbarn der vorhandenen Anlagen fühlen sich bereits durch die
Emissionen der vorhandenen Anlagen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Beim
Bau von weiteren Anlagen werden gesundheitliche Folgen durch zusätzliche
Emissionen befürchtet. Die Abstände zur Wohnbebauung sollten erhöht werden, um
eine weitere Verminderung der Lebensqualität und ein Absinken der
Immobilienwerte zu verhindern. Mit Blick auf die bestehenden Anlagen auch auf
dem Billerbecker Gemeindegebiet wird eine Überfrachtung des Landschaftsbildes
mit Windenergieanlagen befürchtet. Ferner wird zu bedenken gegeben, dass die
Potentialfläche vollständig im Landschaftsschutzgebiet liegt und das Gutachten
die Fläche nur als „bedingt geeignet“ bewertet hat.
Möglicher
Lösungsvorschlag:
Eine Anhebung der Schutzabstände um Bebauung im Außenbereich ist als
„weiches“ Tabukriterium möglich. Zu bedenken ist allerdings, dass durch die
starke Zersiedelung im Außenbereich eine allgemeine Erhöhung des Schutzabstandes
zu einer maßgeblichen Einschränkung der möglichen Konzentrationszonen führt.
Keinesfalls sollte der minimale Schutzabstand größer als 450 m gewählt werden,
weil dann die bestehenden Konzentrationszonen nicht mehr neu ausgewiesen werden
könnten.
Potentialfläche
2+3: Stockum Nord und Stockum Süd
Eine Stellungnahme regt an, den bestehenden Modellflugplatz nur noch
als weiches Tabu-Kriterium zu verwenden, damit mehr Flächen für die
Windenergienutzung zur Verfügung stehen.
Im Baugebiet Fasanenfeld II hat sich die Bürgerinitiative
„Nottuln-Schöne Aussichten gegründet“, die sich gegen die Errichtung eines
Windparks auf den betreffenden Flächen wendet. Die Bürgerinitiative hat eine
Unterschriftensammlung mit rund 550 Unterschriften eingereicht. Es wurde eine
die Facebookseite „Nottuln–Schöne Aussichten“ sowie eine Online-Petition
„Nottuln braucht Weitsicht“ eingerichtet.
Das Baugebiet Fasanenfeld nord-östlich der Potentialfläche Stockum Nord
zeichne sich durch seine Lage in natürlich belassener Umgebung im Zusammenspiel
mit dem historischen Ortskern aus. Es
wird befürchtet, dass diese besondere Lagegunst durch Windkraftanlagen
beeinträchtigt wird. In Zusammenhang mit der Umgehungsstraße komme es zur
„Einkesselung“ des historischen Ortskerns. Die Aussicht am Ortsrand werde
zerstört. Als Hauptargument wird
angeführt, dass die Windkraftanlagen mit 500 m Entfernung viel zu nah an der
geschlossenen Wohnbebauung liegen. Von allen sechs möglichen Potentialflächen
hat das Potentialgebiet Stockum Nord die geringste Entfernung zu einem
geschlossenen Wohngebiet. In der Folge daraus ist hier auch die größte Anzahl
an Einwohnern von einer Konzentrationszone für Windkraftanlagen betroffen. Da
die Potentialfläche in Südwestlage sowie in Hauptwindrichtung zum Wohngebiet liegt,
werden Beeinträchtigungen durch Schattenwurf und Schall erwartet. Es bestehe
bereits eine Vorbelastung mit Schall durch die den Modellflugplatz. Ein
Windpark könne zur Wertminderung der Immobilien führen. Zudem seien auf der
Potentialfläche Vorkommen geschützter Tierarten bekannt: Aufgeführt werden zehn
Fledermausarten (darunter Bechsteinfledermaus), Uhu, Mäusebussard, Turmfalke,
div. Weihen, Kiebitz sowie Zugvögel wie Kranich und Gans etc.. Die Bürger im
Fasanenfeld II fühlen sich beim Hauskauf fehlerhaft informiert über die
Planungen der Gemeinde (Nordumgehung, Netzschlusslösung, Nähe Segelflugplatz,
Vertrauen auf unverbaubaren Blick auf das Landschaftsschutzgebiet...). Mehrfach
wird geäußert, gegen die Planungen juristisch vorgehen zu wollen oder beim Bau
eines Windparks aus Nottuln wegzuziehen.
Möglicher
Lösungsvorschlag:
Havixbeck arbeitet mit Abständen von 750 m zu Siedlungskernen, Senden
mit 1.000 m. Das Windenergiegutachten von Havixbeck schlägt zudem vor, zu
bedeutenden Nutzungen im Außenbereich (Stift Tilbeck) ebenfalls 750, evtl. auch
1000 m Schutzabstand einzuhalten. Es unterliegt der Abwägung der Gemeinde, die
Schutzabstände um die Ortschaften zu vergößern. Dabei muss sichergestellt
werden, dass der Windenergie substantiell Raum geschaffen werden kann. Bei den
Ortschaften Darup, Appelhülsen und Schapdetten gibt es in der Regel
vorgelagerte Höfe. Der Schutzabstand um die Höfe erhöht gleichzeitig den
Schutzabstand zu der geschlossenen Ortschaft. Beim Baugebiet Fasanenfeld gibt
es diese vorgelagerten Höfe nicht. Wie im Beteiligungsverfahren deutlich wurde
ist hier ein größerer Schutzabstand sinnvoll: Die Potentialflächen Stockum Nord
und Süd liegen sowohl in der Hauptwindrichtung als auch der besten
Sonnenausrichtung zum Wohngebiet. Schall- und Schattenemissionen beträfen zudem
einen großen Kreis der Bevölkerung. Wird allerdings der Schutzabstand um das
Baugebiet Fasanenfeld erhöht, muss er auch um alle anderen Ortschaften
gleichermaßen angepasst werden, um ein schlüssiges Gesamtkonzept zu gewähleisten.
Es ist daher zu überlegen, den pauschalen Vorsorgeabstand um die Ortschaften
auf 750 m zu erhöhen.
Es ist zu überlegen, den Flugsektor des Modellflugplatzes nur noch als
weiches Kriterium in die Abwägung einzustellen (vgl. Kapitel 2). Möglicherweise
ist auch eine Koexistenz von Modellflugplatz und Windkraftnutzung möglich. Es
wird vorgeschlagen, hierzu die Vorsitzenden des Modellflugvereins anhören.
Potentialfläche
4: Buxtrup
Zur Erweiterung der vorhandenen Konzentrationszone haben sich sowohl
eindeutige Befürworter als auch Gegner gemeldet.
In vielen Stellungnahmen wird der Ausbau bestehender Zonen der
Ausweisung neuer Zonen vorgezogen. Ein Befürworter schreibt, die Geräusche der
Anlagen würden von der nahegelegenen Autobahn übertönt. Bei Schattenwurf auf
Wohnhäuser würden die Anlagen automatisch abgeschaltet. Die Kranaufstellfläche
der bestehenden Windkraftanlage nördlich der bestehenden Konzentrationszone
werde von Vögeln besiedelt, die eigentlich von Windkraftanlagen geschützt
werden sollen. Der Wildbestand im Umfeld der Anlage habe sich erhöht. Zudem
werde der erzeugte Strom lokal genutzt.
Demgegenüber berichten mehrere Anwohner von starken
Geräuschbelastungen, Tonhaltigkeit/Pfeifgeräuschen in den Wintermonaten,
Schattenschlag, nächtlichen Lichtblitzen der Flugsicherheitsbefeuerung, einer
optischen Bedrängung sowie Wohn- und Wertverlust der Immobilie durch die
bestehenden Anlagen. In den Hauptblickrichtungen aus dem Wohnhaus eines
Einwendenden stehen bereits als störend empfundene Windräder. Durch weitere
Windkraftanlagen entstehe der Effekt einer „Umzingelung“. Die Lärmbelastung der
Anlagen habe in Kombination mit der A 43 hat bereits heute die „absolute
Obergrenze“ des Erträglichen erreicht. Es werde eine deutliche Abnahme der
Fledermauspopulation seit Errichtung des Windparks beobachtet, was als Beleg
für die Fehleinschätzung des damaligen Gutachtens gewertet wird. Ein weiterer
Rückgang der Fledermäuse wird befürchtet. Die Stellungnahmen der Anwohner
wenden sich jedoch entscheiden dagegen, dass die Gegend rund um die
Konzentrationszone und Autobahn bereits heute keinen Wohnwert mehr hat und
kündigen an, gegen die Erweiterung der Konzentrationszone juristisch vorgehen
zu wollen.
Hinweis:
Die mögliche Erweiterungsfläche für die Konzentrationszone Buxtrup
enthält Ausgleichflächen, die bei der Ausweisung der Konzentrationszone zum
Schutz der Kiebitze angelegt wurden. Es ist zu prüfen, ob die Flächen auch
tatsächlich schon von Kiebitzen angenommen wurden. Diese Flächen dürfen bei
einer Erweiterung der Zone nicht verändert werden oder müssen bei einer
Verlagerung erneut ausgeglichen werden.
Potentialfläche
5: Martinistift
Es wurde nur eine negative Stellungnahme ohne nähere Begründung
abgegeben.
Hinweis:
Im
Rahmen eines Gesprächs zum in Aufstellung befindlichen Landschaftsplan
„Buldern“ hat die Untere Landschaftsbehörde des Kreises Coesfeld für die
Potentialfläche ein Konfliktpotential mit dem Arten- und Landschaftsschutz
gesehen. Derzeit wird überlegt, den Bereich, in dem die Potentialfläche liegt,
zukünftig als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen.
Potentialfläche
6: Schapdetten
Hier liegt im Gegensatz zu den anderen Zonen eine Besonderheit vor:
Nahezu alle Flächeneigentümer haben sich in einer Unterschriftensammlung gegen
den Bau von Windkraftanlagen auf ihren Grundstücken ausgesprochen (vgl.
Übersicht Anlage 4). Die Einstellung der restlichen Flächeneigentümer
ist nicht bekannt.
Gegen die Windkraftnutzung werden folgende Argumente vorgebracht. Durch
die Nähe zur Wohnbebauung seien zu viele Einwohner betroffen. Die schöne
ländliche Umgebung sei ein Hauptargument für die Wohnstandortentscheidung für
Schapdetten. Schapdetten sei auf Grund der schlechten Infrastruktur ansonsten
für neue Einwohner wenig attraktiv. An anderen Stellen im Gemeindegebiet werde
weniger Landschaft zerstört. Es bestehen artenschutzrechtliche Bedenken: Die
Habitatstrukturen rund um Schapdetten bieten Lebensraum für viele Arten und das
Vorkommen bedrohter Tierarten ist bekannt. Zudem würde das Naherholungsgebiet
Detterheide und der Treffpunkt „Vogelstange“ beeinträchtigt. Die
Flächeneigentümer befürchten zudem Einschnitte in die Dorfgemeinschaft. Es wird
vermutet, dass die Bürger den Landwirten die Errichtung eines Windparks als
überwiegend Maßnahme „ankreiden“ werden.
Möglicher
Lösungsvorschlag:
Eine Umsetzung der Zone ohne Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer
käme einer Verhinderungsplanung gleich. Es ist daher zu überlegen, die Zone
„Schapdetten“ auf Grund der Unterschriften der Eigentümer von vornherein aus
dem weiteren Verfahren auszuschließen.
In wie weit dies rechtlich möglich ist, muss noch geprüft werden.
Weiterer Umgang mit den Ergebnissen des
Beteiligungsverfahrens
Es wird vorgeschlagen, das Verfahren aus den in Kapitel 2
genannten Gründen vorerst ruhen zu lassen. Wenn das Verfahren wieder
aufgenommen wird, werden die Anregungen aus den Stellungnahmen berücksichtigt.
Im Rahmen des formellen Planungsverfahrens wird erneut Gelegenheit bestehen, zu
den überarbeiteten Planungen Stellung zu nehmen.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten für die Überarbeitung des Windenenergiegutachtens in noch nicht bekannter Höhe, voraussichtlich je nach Aufwand bis max. 10.000 €.
Anlagen:
Anlage 1 Dokumentation Bürgerinformation Windenergie 18.06.2013
Anlage 2 Auswertung Beteiligungsverfahren
Ablage 3 Im Beteiligungsverfahren eingegangene Stellungnahmen
Anlage 4 Auswertung Unterschriftensammlung Schapdetten