Beschlussvorschlag:
Die Verwaltung erarbeitet einen Vorschlag für die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches der Gemeinde Nottuln. Über den Vorschlag wird nach Inkrafttreten des Landesentwicklungsprogramms entschieden.
Sachverhalt:
Hintergrund
Nur in wenigen Wirtschaftssektoren gibt es so dynamische Veränderungen wie im Einzelhandel: In den letzten 30 bis 35 Jahren erfolgten wesentliche Veränderungen des Erscheinungsbildes, der Funktionsbedingungen und der räumlichen Struktur.
Die Entwicklung zeichnet sich auf der Angebotsseite aus durch:
-
Anhaltendes
Flächenwachstum der Handelsflächen. (1980 63 Mio. m² und 2000 schon 108 Mio.
m²: d.h. deutlich über 1 Quadratmeter/Einwohner)
-
Zunehmende
Sättigungstendenzen (teilweise sogar Umsatzrückgänge), Verkaufsflächenüberhänge
und Verdrängungswettbewerb
-
Kontinuierliche
Vergrößerung der einzelnen Betriebseinheiten; Maßstabssprünge insbesondere bei
SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten – zunehmend auch im Non-food Bereich
-
Boom
großflächiger Einkaufszentren, insb. auch in Innenstädten
-
Verdrängung
eigentümergeführter Fachgeschäfte durch Discounter, Filialunternehmen,
SB-Märkte und Fachmärkte
-
Zunehmende
Ausrichtung der Angebote auf den Pkw-Nutzer
Auf der Nachfrageseite zeichnen sich Entwicklungen ab wie:
-
Veränderte
Einkaufsgewohnheiten, insb. Tendenz zum Großmengeneinkauf, Aufspaltung in
Erlebniskauf (wichtige Faktoren: Qualität, Status, Atmosphäre) und
Versorgungskauf (wichtige Faktoren: Preis, schnelle Erreichbarkeit)
-
Zunehmende
Mobilisierung und Mobilitätsbereitschaft (Motorisierte
Individualverkehrs-Dominanz)
Rückgang der Haushaltsgrößen
Die Folgen dieser Entwicklung sind vielfältig:
-
Insgesamt
ist eine Verlagerung weg von den gewachsenen Zentren hin zu den peripheren, nicht integrierten Standorten
hin zu beobachten
-
Vorteile (für die Kunden und die
Unternehmen):
o
Gute
Erreichbarkeit für den motorisierten Individualverkehr und kostenlose
Parkplätze
o
Niedrige
Grundstückspreise, freiere städtebauliche Gestaltung, flexible
Grundstückszuschnitte
o
Möglichkeit,
die Kostenvorteile über niedrigere Preise an die Kunden weiter zu geben
o
Durch
die Unternehmen besser kontrollierbares Umfeld = Sicherheit
o
Insbesondere
bei Agglomerationen gegenseitige Befruchtung der verschiedenen Anbieter
-
Nachteile (für die Bürger und die
Gemeinden):
o
Konkurrenz
zu den gewachsenen Zentren
o
Funktionsverlust
und Leerstände mit nachfolgenden [1]Trading-Down-Effekten
o
Verlust
von Urbanität und Lebensqualität
o
Entwertung
der bestehenden Infrastrukturen (ÖPNV, öffentlicher Raum, etc.) bei
gleichzeitiger Notwendigkeit, an den neuen Standorten neue Infrastrukturen zu
schaffen (Straßen, ÖPNV, etc.).
o
Ökologische
Probleme durch Freiflächenverbrauch, Zunahme des motorisierten
Individualverkehrs, Emissionen, etc.
o
Längere
Wege durch Wegfall der wohnungsnahen Versorgung, insbesondere ein Problem für
sozial schwächere Gesellschaftsgruppen ohne Pkw
Da sich die betrieblich-ökonomischen Ziele des Einzelhandels oftmals nicht mit den volkswirtschaftlich-sozialen und -räumlichen Zielen der „Gesellschaft“ in Übereinstimmung bringen lassen, ist eine Steuerung der Einzelhandelsentwicklung sowohl aus der Sicht der Landesplanung als auch im Rahmen der kommunalen Planungshoheit unbedingt erforderlich.
Derzeitige Entwicklung in der
Landesplanung
Darum versucht die Landesplanung schon seit vielen Jahren, den Einzelhandel großräumig zu steuern. Da diese Steuerung bislang aus verschiedenen Gründen nicht zufriedenstellend ausgefallen ist, novelliert das Land NRW derzeit sein Landesentwicklungsprogramm, kurz LEPro.
In diesem Gesetz sind allgemeine Grundsätze und Ziele enthalten, an die sich die Kommunen trotz der grundsätzlichen kommunalen Planungshoheit mit ihren Planungen anpassen müssen.
Kern der Novellierung des LEPro ist die Einführung eines neuen § 24 a, der den großflächigen Einzelhandel steuern soll, um landesweit ausgewogene Versorgungsstrukturen zu erhalten und einen schonenden Umgang mit Flächen zu gewährleisten.
Großflächiger Einzelhandel mit zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten darf demnach künftig nur noch an Standorten in zentralen Versorgungsbereichen angesiedelt werden. Was für die Gemeinde Nottuln zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente sind, hat der Rat der Gemeinde mit der sogenannten „Nottulner Liste“ bereits beschlossen.
Wann Einzelhandel großflächig ist, ist gesetzlich nicht genau definiert; nach der gängigen Rechtssprechung ist eine Großflächigkeit für Lebensmitteleinzelhandel i.d.R. bei einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² gegeben.
Wo die zentralen Versorgungsbereiche liegen und wie sie sich abgrenzen, bestimmt jedoch nicht die Landesplanung, sondern, im Rahmen der kommunalen Planungshoheit, die Kommune. Im Gesetzesentwurf sind jedoch Vorgaben enthalten, welche die Kommunen bei den Abgrenzungen der zentralen Versorgungsbereiche erfüllen müssen (s. Anlage 1 § 24 a Abs. 2 LEPro).
So müssen sich zentrale Versorgungsbereiche beispielsweise durch eine gute verkehrliche Einbindung in das öffentliche Personennahverkehrsnetz auszeichnen.
Handlungsbedarf für die Gemeinde
Nottuln
Wenn die Gemeinde zukünftig großflächigen Einzelhandel mit zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten im Gemeindegebiet ansiedeln möchte, so muss sie den zentralen Versorgungsbereich abgrenzen. Mit der Bestimmung des Versorgungsbereiches legt sie sich zwar nicht für immer fest, eine Abweichung muss, wie die Abgrenzung auch, jedoch gut begründet sein.
Die zentralen Versorgungsbereiche sind den Siedlungsschwerpunkten ähnlich. Darum ist die Abgrenzung der Siedlungsschwerpunkte, die der Rat der Gemeinde bereits beschlossen hat, eine wichtige Grundlage für die Bestimmung des zentralen Versorgungsbereiches.
Unmittelbar von Bedeutung wird diese Abgrenzung bereits für ein laufendes Verfahren, die Änderung des Bebauungsplans Nr. 63 „Gewerbegebiet an der B 67 II“, da hier neuer großflächiger Einzelhandel entstehen soll. Da die Genehmigung des Flächennutzungsplans durch die Bezirksregierung voraussichtlich nach Inkrafttreten des novellierten Gesetztes sein wird, muss die Bezirksregierung das Gesetz beachten.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Einzelhandel durch die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches sollte darüber hinaus eine strategische Ausrichtung der gesamten Einzelhandelssituation der Gemeinde Nottuln vorbereiten. Eine solche strategische Ausrichtung dient der Begründung nachfolgender planerischer Entscheidungen wie z.B. dem Ausschluss von Einzelhandel in Gewerbegebieten. Darum sollte die Abgrenzung und die Begründung des zentralen Versorgungsbereiches durch den Rat auch auf eine solche Steuerungsfunktion hin ausgerichtet sein.
Auch die künftige Ansiedlung von Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten der nicht großflächig ist, sollte schwerpunktmäßig in dem zentralen Versorgungsbereich stattfinden. Das heißt nicht, dass außerhalb dieses Bereiches kein Einzelhandel mehr stattfinden soll, sondern dass dies beachtet werden soll, um seinen zentralen Versorgungsbereich nicht zu schwächen.
Vorgehensweise
Die Verwaltung wird einen Vorschlag für die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches nach den Kriterien des Landesentwicklungsprogramms erarbeiten, über den dann beraten wird. Nach Inkrafttreten des Gesetztes (Sommer 2007) kann dann der Rat der Gemeinde Nottuln über die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches beschließen, so dass eine Flächennutzungsplanänderung für den Bebauungsplan Nr. 63 vorgenommen werden kann und für weitere Vorhaben eine eindeutige Rechtslage besteht.
[1] Abwärtsspirale im Einzelhandel: Durch Leerstand sinkt die Attraktivität des benachbarten Einzelhandels, so dass es in der Folge auch dort zu Leerstand kommen kann.
Finanzielle Auswirkungen:
keine
Anlagen:
Auszug aus dem Gesetzesentwurf Landesentwicklungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen