Beschlussvorschlag:
1. Die im Sachverhalt vermittelten
Informationen werden zur Kenntnis genommen. Eine allgemeine und unmittelbare
Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren
wird nicht weiterverfolgt.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, auch
weiterhin Grunderwerbsverhandlungen mit dem Ziel zu führen, Flächen für eine
Baulandentwicklung in gemeindlicher Hand zu erwerben.
Sachverhalt:
In
der Vergangenheit ist in verschiedenen Sitzungen der hiesigen politischen
Gremien vermehrt darüber diskutiert worden, ob, und wenn ja, inwieweit es
rechtlich möglich und tatsächlich sinnvoll ist, einen planungsbedingten
Bodenwertvorteil, der dadurch entsteht, dass aus nicht bebaubaren Grundstücken
oder Grundstücksteilen bebaubare werden, abzuschöpfen. Verwaltungsseitig wurde
zugesichert, die Sach- und Rechtslage aufzuarbeiten, die nachstehend erörtert
wird. Im Übrigen wird auf VL 087/2013 verwiesen, die das betreffende Thema
bereits behandelt hat.
Ureigener
Zweck der Aufstellung von Bebauungsplänen ist es, die bauliche und sonstige
Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten
und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Der Gesetzgeber formuliert dazu in § 1 Abs. 5
BauGB klare Grundsätze bzw. Leitlinien, an denen sich die Bebauungsplanung
inhaltlich zu orientieren hat. § 1 Abs.6 BauGB differenziert dann in Form einer
nicht abschließenden Liste an Abwägungsdirektiven weiter aus, was der Plangeber
„insbesondere“ zu berücksichtigen hat. Insgesamt – und das ist entscheidend –
untersteht die Aufstellung von Bebauungsplänen dabei dem
Erforderlichkeitsgrundsatz, nach dem die Gemeinden die Bauleitpläne
aufzustellen [haben], sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3
BauGB). Der Bebauungsplan enthält dabei die rechtsverbindlichen Festsetzungen
für die städtebauliche Ordnung und bildet insoweit die Vollzugsgrundlage für
die Bodennutzung in seinem Geltungsbereich (§ 8 Abs. 1 BauGB).
In
der Natur der Sache liegt es dann, dass die Aufstellung von Bebauungsplänen und
damit die Veränderung der bodenrechtlichen Qualität der Grundstücke in seinem
Geltungsbereich Einfluss auf die Grundstückswerte nimmt, wobei sich
Entwicklungsstufen bilden lassen (§ 5 ImmoWertV). Gleichzeitig ist klar, dass
Bauleitplanung jedoch nicht der Gewinnerzielung, sondern abgeleitet aus dem
o.g. rechtlichen Auftrag ausschließlich einer städtebaulichen Entwicklung und
Ordnung und damit dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt ist. Die hoheitliche
monetäre Abschöpfung der Wertänderung, die hier als Ergebnis der
städtebaulichen Ordnungsabsicht mit dem Resultat der Bebaubarkeit von
Grundstücken im Interesse des Gemeinwohls am Ende des Prozesses
„Bebauungsplanverfahren“ verbleibt, liegt insoweit auch nicht nahe. Es
verwundert daher auch nicht, dass eine rechtliche Ermächtigung zu einer allgemeinen
Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren
gerade nicht existiert.
Öffentlich-rechtlich
ist insoweit auch klar, dass eine unmittelbare Abschöpfung einseitig
hoheitlich, z.B. abgabenrechtlich nicht möglich ist; es gilt der Vorbehalt des
Gesetzes. Es bliebe allenfalls der öffentlich-rechtliche, eher noch privatrechtliche
Vertragsschluss über eine Wertabschöpfung, der durch Einigung zwischen Gemeinde
und Grundstückseigentümer:in im Sinne von Angebot und Annahme zustande kommen
könnte. Wollte man also auf diesem Wege
…
eine
Wertabschöpfung bemühen, was diesseits wegen der Regelungen zur
Erforderlichkeit der Bauleitplanung (siehe oben) und zum Koppelungsverbot (§ 56
VwVfG, speziell für das Bauplanungsrecht § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB) ebenfalls
für unzulässig erachtet wird bzw. zumindest keinesfalls zur Voraussetzung für
die Aufstellung eines Bebauungsplans gemacht werden darf, so stellen sich
mindestens die nachstehenden zentralen Fragen:
1. Wie ist der Planungsgewinn definiert
und wie kann er einzelfallgerecht, d.h. den Umständen nach angemessen, z.B. bei
unterschiedlicher Ausnutzbarkeit der Grundstücke gemäß Bebauungsplan,
rechnerisch ermittelt werden?
2. Wer finanziert die notwendigen
Grundstückswertermittlungen, die zu mindestens zwei Stichtagen (vor der Planung
und nach der Planung) für jedes Grundstück als Bemessungsgrundlage erfolgen
müssten?
3. Welche Wertermittlungsstichtage sind
einschlägig?
4. Wie wird der Planungsgewinn jener
Eigentümer:innen abgeschöpft, die durch „Nichtstun“ auf ihrem Grundstück keinen
monetären Gewinn erfahren?
5. Wenn kein/e oder nur einige
Grundstückseigentümer:innen in die Abschöpfung einwilligt/einwilligen,
verzichtet die Gemeinde dann auf die Aufstellung eines Bebauungsplans bzw.
ermöglicht nur eine lückenhafte Bebauung?
6. Wie ist das mit einer städtebaulichen
Entwicklung und Ordnung, die der Bebauungsplan zum Ziel hat, vereinbar?
Hilfsweise
kann nun darüber nachgedacht werden, zumindest die Kosten, die der Gemeinde als
Folge der Aufstellung eines Bebauungsplans entstehen, und die nicht bereits
über Erschließungsbeiträge refinanziert werden können, abzugelten. In Frage
kämen hier insbesondere Infrastrukturfolgekosten für z.B. Straßenbau, Schulen,
Kitas, Feuerwehren, Einrichtungen der Daseinsvorsorge, Flächen für den
Gemeinbedarf etc. und damit aber weiterhin keine Bodenwertsteigerungen i.e.S.
Während
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BauGB eine solche Vereinbarung im Wege eines
städtebaulichen Vertrags mit einem
Investor ausdrücklich ermöglichen, unterläge eine solche Regelung für den
Fall eines klassischen Angebotsbebauungsplans, der die bodenrechtliche Qualität
vieler Einzelgrundstücke neu regelt, größeren praktischen Schwierigkeiten, da
es gerade nicht den einen
Vertragspartner gäbe. Unabhängig davon – und darin besteht eine weitere
Schwierigkeit – ist als Vertragsgrundlage die klare Kausalität zwischen dem
Bebauungsplan und den Folgekosten, die abgegolten werden sollen, herzustellen.
Dass die Ableitung dieser Kausalität im Einzelfall kaum möglich ist, liegt
dabei auf der Hand. Das gilt umso mehr, wenn es nicht einen Investor, sondern
eine Vielzahl an Einzeleigentümer:innen gibt, mit denen man
Folgekostenerstattungsverträge schließen wollte. Vor dem Hintergrund der oben
beschriebenen Aufgabe der Bauleitplanung, nämlich der
Gemeinwohlkonkretisierung, erschiene die letzte Option daher auch weiterhin
kaum verhältnismäßig.
…
Auch
die Fach- und Kommentarliteratur diskutiert die betreffende Thematik jedenfalls
am Rande, wobei regelmäßig festgehalten wird:
„Dass eine Wertabschöpfung, die im BauGB so
nicht geregelt ist, auch nicht über städtebauliche Verträge
„eingeführt“ werden kann, ist offensichtlich. […] Der
Sprachgebrauch „Abschöpfung von Planungsgewinnen“ ist im Zusammenhang mit § 11 BauGB als „eher unglücklich“ zu
bezeichnen. Wie gezeigt bedarf es bei derartigen Vertragsgestaltungen einer Kostenermittlung; insoweit besteht der Zusammenhang mit
dem Grundsatz der „Ursächlichkeit“. Dies erlaubt es freilich – was auch
insoweit angemessen ist –, den Vereinbarungen ggf. pauschale Kostensätze i. S.
von „Erfahrungssätzen“ zugrunde zu legen; diese sind erforderlichenfalls
sachgerecht zu aktualisieren und z.B. nach Baugebieten zu differenzieren. Für
die Kostenbeteiligung der Eigentümer ist die Berücksichtigung des
Bodenwertzuwachses sodann ein sowohl der wirtschaftlichen Betrachtung nach als
auch dem Gleichbehandlungsgebot der betroffenen Eigentümer zufolge ein
besonders geeigneter Beurteilungsmaßstab für das, was i.S.d § 11 Abs. 2 Abs. 1 BauGB „angemessen“ ist. Das schließt in der praktischen
Handhabung – wie schon erwähnt wurde – sachgerechte und nachvollziehbare
Pauschalierungen, Kappungsgrenzen usw. keineswegs aus. Sie bedürfen jedoch der Rechtfertigung aus den zuordenbaren Kosten.“
(Krautzberger
in: E/Z/B/K, BauGB, § 11, Rn 167a).
Insoweit
bleibt festzuhalten, dass eine allgemeine Abschöpfung des planungsbedingten
Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren einseitig hoheitlich in
Ermangelung einer
entsprechenden
Rechtsgrundlage entfällt. Eine vergleichbare vertragsrechtliche Regelung dürfte
an einer entsprechenden Übereinkunft der Vertragspartner:innen scheitern und –
viel entscheidender – könnte schlechterdings nicht zur Voraussetzung einer
Bauleitplanung gemacht werden, die im hiesigen System in den Grenzen der
Erforderlichkeit einzig Aufgabe der Gemeinden ist (Art. 28 Abs. 2 GG i.V.m. § 1
Abs. 3 BauGB). Die Bauleitplanung von einer monetären Gegenleistung der
Belegenheitseigentümer:innen abhängig zu machen, unter Umständen daher auch
losgelöst von städtebaulichen Gründen, verfehlte insoweit klar den gesetzlichen
Auftrag, führte mithin sogar zur Unwirksamkeit der Planung. Möglich bleibt der
Abschluss von Verträgen bei Investorenplanungen, die z.B.
Infrastrukturfolgekosten, nicht aber den eigentlichen Bodenwertvorteil
verteilen.
Um
als planaufstellende Gemeinde selbst Empfänger des planungsbedingten
Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren zu werden, verbleibt allem voran
das Ziel, von Anfang an auch selbst Eigentümer oder Zwischeneigentümer der zu
entwickelnden Flächen zu werden.
Finanzielle Auswirkungen:
keine