Betreff
Allgemeine Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren
Vorlage
113/2021
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

1.    Die im Sachverhalt vermittelten Informationen werden zur Kenntnis genommen. Eine allgemeine und unmittelbare Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren wird nicht weiterverfolgt.

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, auch weiterhin Grunderwerbsverhandlungen mit dem Ziel zu führen, Flächen für eine Baulandentwicklung in gemeindlicher Hand zu erwerben.

 


Sachverhalt:

In der Vergangenheit ist in verschiedenen Sitzungen der hiesigen politischen Gremien vermehrt darüber diskutiert worden, ob, und wenn ja, inwieweit es rechtlich möglich und tatsächlich sinnvoll ist, einen planungsbedingten Bodenwertvorteil, der dadurch entsteht, dass aus nicht bebaubaren Grundstücken oder Grundstücksteilen bebaubare werden, abzuschöpfen. Verwaltungsseitig wurde zugesichert, die Sach- und Rechtslage aufzuarbeiten, die nachstehend erörtert wird. Im Übrigen wird auf VL 087/2013 verwiesen, die das betreffende Thema bereits behandelt hat.

 

Ureigener Zweck der Aufstellung von Bebauungsplänen ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Der Gesetzgeber formuliert dazu in § 1 Abs. 5 BauGB klare Grundsätze bzw. Leitlinien, an denen sich die Bebauungsplanung inhaltlich zu orientieren hat. § 1 Abs.6 BauGB differenziert dann in Form einer nicht abschließenden Liste an Abwägungsdirektiven weiter aus, was der Plangeber „insbesondere“ zu berücksichtigen hat. Insgesamt – und das ist entscheidend – untersteht die Aufstellung von Bebauungsplänen dabei dem Erforderlichkeitsgrundsatz, nach dem die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen [haben], sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB). Der Bebauungsplan enthält dabei die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung und bildet insoweit die Vollzugsgrundlage für die Bodennutzung in seinem Geltungsbereich (§ 8 Abs. 1 BauGB).

In der Natur der Sache liegt es dann, dass die Aufstellung von Bebauungsplänen und damit die Veränderung der bodenrechtlichen Qualität der Grundstücke in seinem Geltungsbereich Einfluss auf die Grundstückswerte nimmt, wobei sich Entwicklungsstufen bilden lassen (§ 5 ImmoWertV). Gleichzeitig ist klar, dass Bauleitplanung jedoch nicht der Gewinnerzielung, sondern abgeleitet aus dem o.g. rechtlichen Auftrag ausschließlich einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung und damit dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt ist. Die hoheitliche monetäre Abschöpfung der Wertänderung, die hier als Ergebnis der städtebaulichen Ordnungsabsicht mit dem Resultat der Bebaubarkeit von Grundstücken im Interesse des Gemeinwohls am Ende des Prozesses „Bebauungsplanverfahren“ verbleibt, liegt insoweit auch nicht nahe. Es verwundert daher auch nicht, dass eine rechtliche Ermächtigung zu einer allgemeinen Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren gerade nicht existiert.

Öffentlich-rechtlich ist insoweit auch klar, dass eine unmittelbare Abschöpfung einseitig hoheitlich, z.B. abgabenrechtlich nicht möglich ist; es gilt der Vorbehalt des Gesetzes. Es bliebe allenfalls der öffentlich-rechtliche, eher noch privatrechtliche Vertragsschluss über eine Wertabschöpfung, der durch Einigung zwischen Gemeinde und Grundstückseigentümer:in im Sinne von Angebot und Annahme zustande kommen könnte. Wollte man also auf diesem Wege

 

                                                                                                                  

 

eine Wertabschöpfung bemühen, was diesseits wegen der Regelungen zur Erforderlichkeit der Bauleitplanung (siehe oben) und zum Koppelungsverbot (§ 56 VwVfG, speziell für das Bauplanungsrecht § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB) ebenfalls für unzulässig erachtet wird bzw. zumindest keinesfalls zur Voraussetzung für die Aufstellung eines Bebauungsplans gemacht werden darf, so stellen sich mindestens die nachstehenden zentralen Fragen:

 

1.    Wie ist der Planungsgewinn definiert und wie kann er einzelfallgerecht, d.h. den Umständen nach angemessen, z.B. bei unterschiedlicher Ausnutzbarkeit der Grundstücke gemäß Bebauungsplan, rechnerisch ermittelt werden?

2.    Wer finanziert die notwendigen Grundstückswertermittlungen, die zu mindestens zwei Stichtagen (vor der Planung und nach der Planung) für jedes Grundstück als Bemessungsgrundlage erfolgen müssten?

3.    Welche Wertermittlungsstichtage sind einschlägig?

4.    Wie wird der Planungsgewinn jener Eigentümer:innen abgeschöpft, die durch „Nichtstun“ auf ihrem Grundstück keinen monetären Gewinn erfahren?

5.    Wenn kein/e oder nur einige Grundstückseigentümer:innen in die Abschöpfung einwilligt/einwilligen, verzichtet die Gemeinde dann auf die Aufstellung eines Bebauungsplans bzw. ermöglicht nur eine lückenhafte Bebauung?

6.    Wie ist das mit einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, die der Bebauungsplan zum Ziel hat, vereinbar?

 

Hilfsweise kann nun darüber nachgedacht werden, zumindest die Kosten, die der Gemeinde als Folge der Aufstellung eines Bebauungsplans entstehen, und die nicht bereits über Erschließungsbeiträge refinanziert werden können, abzugelten. In Frage kämen hier insbesondere Infrastrukturfolgekosten für z.B. Straßenbau, Schulen, Kitas, Feuerwehren, Einrichtungen der Daseinsvorsorge, Flächen für den Gemeinbedarf etc. und damit aber weiterhin keine Bodenwertsteigerungen i.e.S.

Während § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BauGB eine solche Vereinbarung im Wege eines städtebaulichen Vertrags mit einem Investor ausdrücklich ermöglichen, unterläge eine solche Regelung für den Fall eines klassischen Angebotsbebauungsplans, der die bodenrechtliche Qualität vieler Einzelgrundstücke neu regelt, größeren praktischen Schwierigkeiten, da es gerade nicht den einen Vertragspartner gäbe. Unabhängig davon – und darin besteht eine weitere Schwierigkeit – ist als Vertragsgrundlage die klare Kausalität zwischen dem Bebauungsplan und den Folgekosten, die abgegolten werden sollen, herzustellen. Dass die Ableitung dieser Kausalität im Einzelfall kaum möglich ist, liegt dabei auf der Hand. Das gilt umso mehr, wenn es nicht einen Investor, sondern eine Vielzahl an Einzeleigentümer:innen gibt, mit denen man Folgekostenerstattungsverträge schließen wollte. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Aufgabe der Bauleitplanung, nämlich der Gemeinwohlkonkretisierung, erschiene die letzte Option daher auch weiterhin kaum verhältnismäßig.

                                                                                                                  

 

 

Auch die Fach- und Kommentarliteratur diskutiert die betreffende Thematik jedenfalls am Rande, wobei regelmäßig festgehalten wird:

 

„Dass eine Wertabschöpfung, die im BauGB so nicht geregelt ist, auch nicht über städtebauliche Verträge „eingeführt“ werden kann, ist offensichtlich. […] Der Sprachgebrauch „Abschöpfung von Planungsgewinnen“ ist im Zusammenhang mit § 11 BauGB als „eher unglücklich“ zu bezeichnen. Wie gezeigt bedarf es bei derartigen Vertragsgestaltungen einer Kostenermittlung; insoweit besteht der Zusammenhang mit dem Grundsatz der „Ursächlichkeit“. Dies erlaubt es freilich – was auch insoweit angemessen ist –, den Vereinbarungen ggf. pauschale Kostensätze i. S. von „Erfahrungssätzen“ zugrunde zu legen; diese sind erforderlichenfalls sachgerecht zu aktualisieren und z.B. nach Baugebieten zu differenzieren. Für die Kostenbeteiligung der Eigentümer ist die Berücksichtigung des Bodenwertzuwachses sodann ein sowohl der wirtschaftlichen Betrachtung nach als auch dem Gleichbehandlungsgebot der betroffenen Eigentümer zufolge ein besonders geeigneter Beurteilungsmaßstab für das, was i.S.d § 11 Abs. 2 Abs. 1 BauGB „angemessen“ ist. Das schließt in der praktischen Handhabung – wie schon erwähnt wurde – sachgerechte und nachvollziehbare Pauschalierungen, Kappungsgrenzen usw. keineswegs aus. Sie bedürfen jedoch der Rechtfertigung aus den zuordenbaren Kosten.“

(Krautzberger in: E/Z/B/K, BauGB, § 11, Rn 167a).

 

Insoweit bleibt festzuhalten, dass eine allgemeine Abschöpfung des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren einseitig hoheitlich in Ermangelung einer

entsprechenden Rechtsgrundlage entfällt. Eine vergleichbare vertragsrechtliche Regelung dürfte an einer entsprechenden Übereinkunft der Vertragspartner:innen scheitern und – viel entscheidender – könnte schlechterdings nicht zur Voraussetzung einer Bauleitplanung gemacht werden, die im hiesigen System in den Grenzen der Erforderlichkeit einzig Aufgabe der Gemeinden ist (Art. 28 Abs. 2 GG i.V.m. § 1 Abs. 3 BauGB). Die Bauleitplanung von einer monetären Gegenleistung der Belegenheitseigentümer:innen abhängig zu machen, unter Umständen daher auch losgelöst von städtebaulichen Gründen, verfehlte insoweit klar den gesetzlichen Auftrag, führte mithin sogar zur Unwirksamkeit der Planung. Möglich bleibt der Abschluss von Verträgen bei Investorenplanungen, die z.B. Infrastrukturfolgekosten, nicht aber den eigentlichen Bodenwertvorteil verteilen.

 

Um als planaufstellende Gemeinde selbst Empfänger des planungsbedingten Bodenwertzuwachses in Bebauungsplanverfahren zu werden, verbleibt allem voran das Ziel, von Anfang an auch selbst Eigentümer oder Zwischeneigentümer der zu entwickelnden Flächen zu werden.


Finanzielle Auswirkungen:

keine