Betreff
Antrag der CDU-Fraktion vom 07.07.2021
"Aufenthaltsqualität steigern und Attraktivität verbessern - Einrichtung eines beheizten Warteraums am Bahnhof Nottuln-Appelhülsen"
Vorlage
104/2021
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

Vorschlag der CDU – Fraktion:

1.       Die Gemeindeverwaltung nimmt Gespräche mit dem Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) auf, um Fördermöglichkeiten für die Einrichtung eines beheizten Warteraums am Bahnhof Nottuln-Appelhülsen aus dem Infrastrukturförderprogramm zu prüfen.

2.       In diesem Zusammenhang erstellt die Gemeindeverwaltung eine Kostenschätzung für die Einrichtung und den Betrieb eines beheizten Warteraums. Die Kostenschätzung sollte ebenfalls geeignete Ausstattungsmerkmale zur Vermeidung von Vandalismusschäden enthalten, etwa identitätsbasierte Zugangssysteme oder Sicherheitskameras.

3.       Die Gemeindeverwaltung nimmt Kontakt zu lokalen Unternehmen auf und prüft die Bereitschaft, sich mit einem Sponsoring an der Einrichtung eines beheizten Warteraums, das entsprechend der Sponsoren gestaltet werden kann (s. Beispiel LVM in Münster), finanziell zu beteiligen, um eine mögliche Finanzierungslücke zu schließen.

 

Vorschlag der Verwaltung:

Der Antrag wird zur Kenntnis genommen. Vor dem Hintergrund des in Auftrag gegebenen Mobilitätskonzeptes, schlägt die Verwaltung vor, die Ergebnisse abzuwarten und die Antragsinhalte bei künftigen Planungen im Hinblick des zu erarbeitenden Mobilitätskonzeptes auf ihre Umsetzbarkeit hin zu überprüfen.


Sachverhalt:

Am 07.07.2021 ist der Gemeinde Nottuln ein Antrag der CDU - Fraktion zugegangen, der die Einrichtung eines beheizten Warteraums am Bahnhof Nottuln-Appelhülsen begehrt (siehe Anlage 1).

 

Im Antrag wird angeführt, dass das Mobilitätsverhalten der Menschen im Wandel sei und der Radverkehr sowie der ÖPNV in den letzten Jahren einen Zuwachs verzeichne. Bahnhöfe und Mobilstationen nähmen dabei eine Schlüsselrolle als multi- und intermodale Verknüpfungspunkte ein. Die Attraktivität und Aufenthaltsqualität von Bahnhöfen und Mobilstationen würde dabei über die Akzeptanz in der Nutzung der entsprechenden Mobilitätsangebote entscheiden. Dazu zähle auch ein windgeschützter, beheizbarer Warteraum insbesondere in der kalten Jahreszeit, der die Wartezeiten auf entsprechende Verkehrsmittel angenehmer machen würde. Für die Errichtung des beheizten Warteraums böte sich eine Finanzierung über die Infrastrukturförderung des NWL an, der derartige Vorhaben mit bis zu 90%iger Förderquote unterstütze.

 

Generell bieten beheizbare Warteräume vor allem in der kälteren Jahreszeit eine witterungsgeschützte und warme Wartemöglichkeit für all diejenigen, die auf ihre Anschlussmöglichkeit am Bahnhof (Bus, Zug, Taxi, etc.) warten müssen. Mithilfe von Sicherheitsmaßnahmen (Videoüberwachung, Zugangsregelungen, etc.) kann das subjektive Sicherheitsgefühl der Nutzer:innen potenziell erhöht werden. Beide Maßnahmen (sowie deren Kombination) könnten zu einer angenehmeren Gestaltung der Wartezeit am Bahnhof beitragen.

 

Gleichzeitig wirft die Forderung jedoch Fragen auf. Zum einen muss die Zugangsthematik geklärt werden. Soll jeder, der am Bahnhof wartet, die Möglichkeit haben, den Warteraum zu nutzen? Falls ja, muss damit gerechnet werden, dass es einerseits zu Vandalismusschäden kommen und andererseits der Warteraum von Personen genutzt werden könnte, die eine geschützte Bleibe zur Übernachtung suchen. Beide Szenarien würden die Attraktivität des Warteraums sowie des Bahnhofs insgesamt weiter senken. Ein Einsatz von Videokameras würde zwar das subjektive Sicherheitsgefühl der Nutzer:innen erhöhen, eine abschreckende Wirkung hinsichtlich Vandalismus und anderer Delikte sowie zur Ermittlung von Straftaten ist jedoch fraglich, da Studien zeigen, dass Straftaten trotzdem begangen werden. Sollten hingegen nur Personen Zugang erhalten, die über eine entsprechende Zugangsmöglichkeit (vergleichbar mit den Zugangsmöglichkeiten zu den Radabstellanlagen (Schlüssel, Transponder)) verfügen, würde der Warteraum nur einer exklusiven Personengruppe zur Verfügung stehen. Touristen bzw. Nicht-Berechtigte, die auf Anschluss- oder Umstiegsmöglichkeiten am Bahnhof warten müssen, wären von der attraktiven Wartemöglichkeit ausgeschlossen und müssten weiterhin ungeschützt auf ihre Verbindungen warten.

 

Zum anderen sollte die potenzielle Anzahl der möglichen Nutzer:innen sowie deren durchschnittliche Verweildauer am Bahnhof Appelhülsen näher erfasst werden, um den generellen Bedarf eines (beheizten) Warteraumes abschätzen zu können. Derzeit wird am Bahnhof Appelhülsen regelmäßig eine Verknüpfung zwischen den Verkehrsmitteln Bus und Schiene (Bus: C85, B31, 685, Schiene: RE2, RE42) hergestellt. Die Übergangszeit zwischen der Linie C85 in und aus Richtung Nottuln an den RE2 in Richtung Ruhrgebiet liegt in beide Richtungen derzeit jeweils bei 9 Minuten und erfüllt somit den Standard. Darüber hinaus wird der Bahnhof Appelhülsen im Nahverkehrsplan des Kreises Coesfeld in Kategorie II eingeordnet (weitere Verknüpfungspunkte und Haltestellen mit hohem bis mittlerem Fahrgastaufkommen und durchschnittlicher Umsteigebedeutung). Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der SPNV-Nutzer entweder mit dem eigenen Rad oder PKW zum Bahnhof gelangt – die Auslastung der P + R - Parkplätze sowie Radabstellanlagen legen dieses nahe. Ist dies der Fall, so ist anzunehmen, dass auch die durchschnittliche Verweildauer am Bahnhof recht kurz ist, da die Nutzer:innen tendenziell „in-time“ anreisen, um möglichst kurz am Bahnhof auf ihre Anschlussverbindung warten zu müssen. Lediglich bei Verspätungen / Nichtfahrten würde sich die Verweildauer erhöhen und die Nachfrage nach einem beheizbaren Warteraum steigen.

 

Auch bestehen in Bezug auf die Finanzierung eines solches Vorhabens weitere Fragen. In den Zuwendungsvoraussetzungen der Förderrichtlinie für den Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe sind Haltestellen und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit (soweit eine Anbindung an eine Sicherheitszentrale o.ä. gewährleistet und/oder eine Speicherung gemäß den datenschutzrechtlichen Bestimmungen vorgesehen ist) an Haltestellen förderfähig (siehe Anlage 2). Stimmt der Zweckverband Nahverkehr Westfalen – Lippe der Errichtung eines solchen Warteraums zu, müssen jedoch mindestens 10% der anfallenden Kosten aus Eigenmitteln finanziert werden. Die Kosten für Tiefbau-Arbeiten oder die Montage des Wartehäuschens werden nicht gefördert, sondern lediglich die anfallenden Materialkosten, die je nach Ausstattungsniveau erheblich schwanken. Darüber hinaus sind weder anfallende Wartungs- noch Personalkosten zuwendungsfähig. Weiterhin wäre, laut Antrag, zur Vermeidung von Vandalismusschäden, der Einsatz identitätsbasierter Zugangssysteme oder Sicherheitskameras, zu prüfen. Eine genaue Kostenschätzung kann an dieser Stelle zwar noch nicht erfolgen, da keine Angebote vorliegen, in einem Bericht zum Sicherheits-Videoüberwachungsprogramm an Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen belaufen sich jedoch die Kosten – wenngleich hier der gesamte Bahnhof mit Videoüberwachung ausgestattet wird und nicht nur ein Warteraum – auf 80.000 – 85.000 € (siehe Anlage 3 – Grobkostenschätzung). Dabei ist davon auszugehen, dass weitere Kosten in den Folgejahren anfallen, wie etwa für die Speicherung und ggf. Auswertung des Videomaterials sowie für Wartungsmaßnahmen der Überwachungssysteme.

 

Die Gemeinde Nottuln hat aktuell die Erarbeitung eines Mobilitätskonzeptes an das Ingenieurbüro für Innovation & Transfer Paulus (infinite) in Auftrag gegeben. Das vom Büro zu erstellende Mobilitätskonzept verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Neben einer möglichen Verbesserung und Vernetzung bestehender Mobilitätsangebote, sollen weiterhin Ein- und Umstiegsmöglichkeiten an den Haltestellen des ÖPNV auf eine Umgestaltung hin überprüft werden, um so die Erreichbarkeiten und die Attraktivität von Verkehrsmitteln des Umweltverbundes insgesamt zu erhöhen.

 

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklung, schlägt die Verwaltung vor, die Fragestellung des betreffenden Antrages und deren konkrete Inhalte bei künftigen Planungen insbesondere im Hinblick des zu erstellenden Mobilitätskonzeptes auf ihre Umsetzbarkeit hin zu überprüfen, um so mögliche Insellösungen bzw. Übergangslösungen zu vermeiden, wodurch ganzheitliche Lösungsansätze aufgezeigt werden können.


Finanzielle Auswirkungen:

Die finanziellen Auswirkungen können nicht beziffert werden, da derzeit keine Angebote zum Vergleich vorliegen. Nach der Förderrichtlinie für den Zweckverband Nahverkehr Westfalen – Lippe können Infrastrukturmaßnahmen des ÖPNV gemäß § 12 ÖPNVG NRW (SGV.NRW.93) mit einem Förderansatz von z.Zt. 90% bezuschusst werden. Unterhaltungsmaßnahmen sind nicht förderfähig, Personalkosten sind nicht zuwendungsfähig. Der fehlende Anteil der Finanzierung muss durch die Gemeinde erfolgen. Die Folgekosten in Form von Betriebs- und Wartungskosten eines Warteraums sowie der Einsatz von identitätsbasierten Zugangssystemen und Sicherheitskameras sind darüber hinaus nicht unerheblich.


Anlagen:

Anlage 1:       CDU – Antrag vom 07.07.2021

Anlage 2:       Förderrichtlinie NWL §12 OEPNVG NRW

Anlage 3:       Vorlage 17/5131. Sicherheits-Videoüberwachungsprogramm an Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen