Betreff
Befragung zur Verkehrssituation im Bereich Lerchenhain, Nottuln Süd, Bodelschwinghstraße;
hier: Vorstellung der Ergebnisse sowie Beschluss zum weiteren Vorgehen
Vorlage
217/2017
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

  1. Parallel zur Eröffnung der Ortsumgehung Nottuln wird vorbehaltlich der entsprechenden verkehrsrechtlichen Genehmigungen als einmonatiges Verkehrsexperiment die Durchfahrt Bodelschwinghstraße auf Höhe des Nonnenbachs für Kfz gesperrt. Das Experiment wird durch eine Messung des Verkehrs an markanten Punkten und eine Befragung der Bürgerschaft im Anschluss begleitet.
  2. Im Anschluss an das o.g. Experiment wird ein dauerhaftes Verkehrsberuhigungskonzept erstellt, das die Ergebnisse dieser Befragung sowie des Verkehrsexperiments berücksichtigt und den Gremien zur Entscheidung vorgelegt wird.
  3. Der Beschluss des Rates vom 10.10.1997 zur VL 155/1997 wird hinsichtlich des Punktes 2.1 aufgehoben. Der Beschluss des Rates vom 26.02.2013 (VL 030/2013) wird dahingehend modifiziert, dass die Netzschlusslösung bei Planung des Baugebietes Südlich Lerchenhain insofern berücksichtigt wird, dass ein langfristiger Weiterbau der Erschließungsstraßen des Baugebietes in Richtung Buxtrup möglich bleibt.

 


Sachverhalt:

In der Sitzung des Gemeindeentwicklungsausschusses vom 10.05.2017 wurde die Verwaltung beauftragt, als Grundlage für die Beratungen zum weiteren Umgang mit der Verkehrssituation im Bereich Lerchenhain, Nottuln Süd, Bodelschwinghstraße eine Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen (VL 066/2017). Als etwas ungewöhnliches Format hatte die Verwaltung die Durchführung eines Planungsspazierganges mit anschließender schriftlicher Befragung vorgeschlagen.

 

Ablauf der Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Öffentlichkeitsbeteiligung wurde im September und Oktober 2017 durchgeführt.

Als Auftakt hat als niedrigschwelliges Angebot ein Planungsspaziergang stattgefunden. Die Verwaltung ist hierfür gemeinsam mit den Anwohnern am 20.09.2017 durch das Quartier spaziert. An Stationen haben kurze Impulseinführungen stattgefunden. Dort, auf den Wegen und zum Abschluss bei Bier und Bratwurst bestand ausreichen Raum für eine Diskussion.

Um die Bewohner der oben genannten Quartiere auf die Beteiligungsmaßnahme aufmerksam zu machen, wurden etwa 7-10 Tage vor der Veranstaltung Flyer im gesamten Gebiet verteilt (siehe Anlage 1) und über Presse und Homepage die Veranstaltung beworben. Mit rund 70-80 Teilnehmern und ausgiebigen Diskussionen bewertet die Verwaltung diesen Auftakt als Erfolg.

Zum Abschluss des Spaziergangs sowie im Nachgang per Download oder Abholung in der Verwaltung wurden die in Anlage 2 abgedruckten Fragebögen ausgeteilt. Es bestand für mehrere Wochen die Möglichkeit, diese an die Verwaltung zurück zu senden.

Der Fragebogen basiert zunächst auf den Vorschlägen, die das Konzept von SHP Ingenieure aus 2014 für diesen Bereich identifiziert hat. Das Konzept wurde den Bürgern auf der Homepage der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Zudem wurde breiter Raum für Freitext-Anmerkungen gegeben, da der Verwaltung bewusst war, dass über die drei bekannten Varianten hinaus diverse andere Diskussionsfelder bestehen und Modifikationen der Varianten denkbar sind.

Um einen Missbrauch der Befragung zu vermeiden und um eine nach Wohnort gegliederte Auswertung zu ermöglichen, wurde keine anonyme Befragung durchgeführt, sondern Name und Wohnort der Befragten miterhoben. Die eigentliche Auswertung erfolgt natürlich anonymisiert. 

Insgesamt sind bei der Befragung 141 Fragebögen eingegangen. Bei der quantitativen Auswertung wurden 19 Fragebögen ausgeschlossen, da diese von Bürgern stammten, die außerhalb des Untersuchungsraumes leben oder die keine Angaben zum Wohnort gemacht haben. Bei den Freitext-Antworten in Anlage 3 sind jedoch auch die in den ausgeschlossenen Fragebögen genannten Aspekte abgedruckt. Etwa bei der Hälfte der Fragebögen liegt neben der Nennung der bevorzugten Variante auch eine als Text formulierte Idee / Anmerkung vor (kompletter Abdruck in Anlage 3)

 

Ergebnisse

Vorab sei noch einmal darauf hingewiesen, dass eine Befragung stets nur ein Stimmungsbild widerspiegeln kann und methodisch gesehen nicht die Anforderungen an eine repräsentative Studie abbilden kann.

Es sind bezogen auf die Anzahl der dort befindlichen Haushalte aus allen drei Teilbereichen des Befragungsraums Antwortbögen in ähnlichem Umfang eingegangen. Es kann somit für alle Bereiche ein Stimmungsbild wiedergegeben werden.

Eine weitere Untergliederung hat dahingehend stattgefunden, dass zwischen direkten Anliegern und Nicht-Anliegern der Durchgangsstraßen (also Bodelschwinghstraße, Antonistraße, Martinistraße, Steinstraße und nördlicher Teil Lerchenhain) differenziert wurde.

 

 
Wohnort der Befragten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bevorzugte Varianten

Den nachfolgenden Diagrammen kann eine Auswertung der bevorzugten Varianten untergliedert nach Wohnort sowie der Fragestellung, ob der Wohnort an einer Durchgangsstraße liegt, entnommen werden. Mehrfachantworten waren möglich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auswertung offene Fragestellung

Neben der rein quantitativen obigen Bewertung geben die in der offenen Frage als Freitext abgegebenen Stellungnahmen einige Aspekte deutlich detaillierter und begründet wieder. Die Statements lassen sich etwa in folgende Gruppen gliedern:

1.       Detailanregungen

Es wurden Anregungen zur besseren verkehrlichen Gestaltung in den Baugebieten vorgebracht, die keinen direkten Zusammenhang zu den Varianten haben. Häufig genannt wurde z.B. das Erfordernis zur Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen oder die Parksituation in der Steinstraße.

2.       Modifikationen der Varianten

Die im Gutachten vorgeschlagenen Varianten wurden in unterschiedlicher Form von den Befragten modifiziert. Einige haben z.B. vorgeschlagen, Durchfahrtssperren an anderen Orten zu errichten oder haben Aufpflasterungen und Einengungen an bestimmten Orten (meist in geringerem Umfang als im Gutachten, in besonderem Maße für das östliche Ende der Steinstraße) vorgeschlagen.

3.       Thema Umwegfahrten

Die Belassung des status-quo wird vielfach damit begründet, dass bei Sperrungen oder Teilsperrungen große Umwegfahrten entstehen, die ökologisch und lärmbezogen ebenfalls Belastungen mit sich bringen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang mehrfach darauf, dass die Bodelschwinghstraße als entlastende und gebietsverknüpfende Sammelstraße geplant und gebaut worden sei.

 4. Thema Netzschlusslösung / Ausbau Verlängerung Steinstraße

In diversen Statements wird darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Vorschläge nicht oder nur bedingt geeignet zur Lösung der vorliegenden Verkehrsprobleme seien. Wichtig wäre die Errichtung der sogenannten Netzschlusslösung; ohne diese sei auch die Entwicklung des Baugebiets Südlich Lerchenhain nicht möglich. Dabei wird vielfach auf politische Beschlüsse von 1997 und 2013 hingewiesen. Ebenfalls mehrfach auch ohne die direkte Verknüpfung mit dem Thema Netzschlusslösung wird der Ausbau der Verlängerung der Steinstraße Richtung Buxtrup angeraten.

 

Bewertung

Eine einvernehmliche Lösung steht als Ergebnis der Befragung nicht in Aussicht. Keine Variante gewinnt eine große Mehrheit. Ferner ist eine Kluft zwischen Anliegern von Durchgangsstraßen und anderen Bewohnern der Wohnquartiere zu erkennen. Dies ist sowohl im Tonfall der eingegangenen Stellungnahmen als auch in den unterschiedlichen Bewertungen der Varianten erkennbar.

Insgesamt ist erkennbar, dass ein Gefälle im Hinblick auf den Wunsch nach Änderungen der Verkehrsführung bestehen. Im Baugebiet Lerchenhain besteht überwiegend der Wunsch, die Situation zu belassen, im Bereich Nottuln Süd besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Wünschen nach einer Änderung der Situation und einem Beibehalt des status-quo und im Bereich Bodelschwinghstraße besteht eine Mehrheit für eine Änderung der Verkehrsführung.

Im Bereich Lerchenhain hat es seitens einiger Bewohner Aufrufe gegeben, als Zeichen der Ablehnung einer als ungeeignet angesehenen Verkehrsplanung die Befragung dahingehend zu beantworten, dass der status-quo belassen werden solle. Dies ist sicherlich ein zulässiges Instrument der politischen Willensbildung; aus Sicht der Verwaltung im Hinblick auf den ernsthaften Versuch, die Situation zu verbessern allerdings bedauerlich.

Hinsichtlich der bevorzugten Maßnahmen wird in allen Bereich eher eine „radikale“ Lösung, d.h. die Sperrung oder Einschränkung von Verkehrsbeziehungen als eine „weiche“ Lösung wie durch eine Verkehrsberuhigung bevorzugt. Letztere wird entsprechend der offen formulierten Antworten eher als Lösung für Teilbereiche (z.B. im Bereich der ausgehenden Steinstraße) als geeignet angesehen.

Interessant ist die Differenzierung zwischen Anliegern von Durchgangsstraßen und sonstigen Bewohnern. Bei entsprechenden Anliegern entfallen 2/3 der geäußerten Wünsche auf eine Änderung der Verkehrsführung, bei Bewohner nicht als Durchgangsstraßen genutzter Straßenzüge sinkt der Anteil auf nur noch 1/3.

 

Auseinandersetzung mit der sogenannten Netzschlusslösung

In der Diskussion über Verkehrsmaßnahmen wird vielfach auf ältere Beschlüsse zur sogenannten Netzschlusslösung hingewiesen. Um hier für Politik, Verwaltung und Bürger Klarheit zu schaffen, regt die Verwaltung an, die Beschlusslage deutlich und unmissverständlich neu zu formulieren.

Hier wird zunächst auf einen Beschluss aus dem Jahr 1997 verwiesen, bei dem sich der Rat im Zusammenhang mit dem Bau der Ortsumgehung Nottuln in verschiedener Hinsicht positioniert hatte (Rat vom 10.10.2997, VL 155/2017). Im Hinblick auf diese Diskussion ist dabei folgender Beschlussteil relevant:

2. Der Rat der Gemeinde Nottuln beschließt ferner

2.1 Planung und Bau von Netzschlusslösungen zum Anschluß südl. Wohnbereiche an die B 67 in Richtung Coesfeld sowie an die A 43 / Richtung Appelhülsen. Dies soll auf Grundlage der vorliegenden Umweltverträglichkeitsstudie und unter Beteiligung eines Verkehrsplaners geschehen. Planungsmittel sind 1998 im Haushalt zu verankern. Der Ausbau dieser Netzschlusslösung hat schrittweise zu erfolgen, sobald endgültig Klarheit über die Trassenführung der Umgehungsstraße besteht, spätestens mit rechtskräftigem Abschluß des Planfeststellungsverfahrens.

Aus Sicht der Verwaltung wird dieser Beschluss im Hinblick auf alle Aspekte des Verkehrs durch das Verkehrsentwicklungskonzept 2011 vollständig überlagert. Hier hat der Rat am 13.12.2011 beschlossen (VL 121/2011):

Das als Anlage vorliegende Integrierte Verkehrskonzept wird als städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne von § 1 Absatz 6 Nr. 11 Baugesetzbuch beschlossen. Es dient bei allen Fragestellungen im Bereich Verkehr als Leitbild und Entscheidungsgrundlage.

Dieses Verkehrsentwicklungskonzept sieht den östlichen Abschnitt der sogenannten Netzschlusslösung durchaus kritisch:

Der Planfall 4 führt durchaus sowohl für die westlichen als auch südlichen Wohnquartiere von Nottuln zu Entlastungen des radialen Haupt- und Erschließungsstraßennetzes.

Dennoch sollte geprüft werden, inwieweit die zukünftig zu erwartende geringe Verkehrsbelastung auf der Planstraße von gerade mal etwa 3.000 Kfz/24 h im Verhältnis der Investitionskosten sowie den Umweltauswirkungen steht.

Anmerkung: Auch diese schon geringe Zahl von 3.000 Kfz/24 h kommt nur unter Berücksichtigung einer im Übrigen bereits realisierten Netzschlusslösung bis zur B 525 am Fasanenfeld II und unter der Annahme der Realisierung aller Baugebiete im Bereich Nottuln West zu Stande. Bei isolierter Betrachtung und deutlich geringerer Baugebietsentwicklung dürfte der Effekt deutlich geringer sein.

Insgesamt hat der Beschluss des Rates von 1997 und die damit verbundene Unklarheit über die Zielsetzung der weiteren Planung offensichtlich einen negativen Effekt für eine ergebnisoffene Diskussion. Aus Sicht der Verwaltung ist in keiner Weise absehbar, dass eine Realisierung dieses Projektes auch langfristig unter Berücksichtigung der hohen Kosten wahrscheinlich ist. Eine klare Beschlusslage ist hier wünschenswert.

Gleiches gilt für den in Rede stehenden Beschluss von 2013 (VL 030/2013, Rat vom 26.02.2013). Dieser lautet:

Bei  den  Vorverhandlungen  zur  Planung  und  auch in  die  Planung  ist  die  zu  realisierende  Netzschlusslösung einzubeziehen.

Auch dieser Beschluss kann nicht für sich isoliert betrachtet werden. Seitens der Verwaltung wurde im Nachgang in in mehreren Sitzungen Überlegungen zu Optionen und finanziellen Folgen einer solchen Lösung vorgelegt (insbesondere VL 046/2014 und VL 125/2014) und diese bewusst im folgenden Verkehrsgutachten nicht berücksichtigt, da diese angesichts der hohen Kosten als nicht realisierbar bewertet wurde. Dementsprechend ist auch keine über das Wohngebiet hinausgehende Festsetzung des Geltungsbereichs des künftigen Bebauungsplanes „Südlich Lerchenhain“ durch den Rat erfolgt (VL 146/2014). Die Verwaltung folgt angesichts dieses langjährigen Diskussionsverlaufs dem o.g. Beschluss insoweit, dass die Erschließungsstraßen des künftigen Baugebietes so geplant sind, dass eine Weiterführung bis zur Straße in Richtung Buxtrup möglich bleiben.

Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass die Beschlusslage für eine Verknüpfung des Oberstockumer Weges mit der B 525 eindeutiger formuliert ist und auch das Integrierte Verkehrskonzept hier zu einer deutlich positiveren Bewertung kommt. Die Verwaltung wird diesbezüglich im Jahr 2018 einen Sachstandsbericht erstellen.

 

Vorschlag für ein weiteres Vorgehen

Eine eindeutige Lösung, die allen Interessen in den Baugebieten entspricht, ist nicht absehbar. Insofern kann zwar bereits erkannt werden, dass als Ergebnis der Befragung eine ganze Reihe von kleineren Maßnahmen zur Verbesserung der verkehrlichen Situation in eine abschließende Vorzugsvariante einfließen werden. Ob und wie dies mit einer grundlegenden Änderung der Verkehrsführung verbunden sein sollte, ist jedoch nicht abschließend bewertbar. Insofern schlägt die Verwaltung vor, vor Erstellung einer abschließenden Vorzugsvariante, zunächst das im Frühjahr bereits als Option angekündigte Verkehrsexperiment durchzuführen. Die größten Änderungen erwartet die Verwaltung sowohl in Hinsicht auf die Verhinderung von Durchgangsverkehren als auch bezüglich der erforderlichen Umwegfahrten durch eine Sperrung der Bodelschwinghstraße für Kfz auf Höhe des Nonnenbachs. Diese Auswirkungen werden durch Verkehrsmessungen vor und nach der Sperrung an verschiedensten markanten Stellen sowie einer Bürgerbefragung begleitet. Ein geeigneter Zeitpunkt könnte dabei die Fertigstellung der Ortsumgehung Nottuln sein; zudem sollte die Sperrung lang genug andauern, dass sich die Nutzer an die neue Verkehrssituation gewöhnen können. Vorgeschlagen wird die Dauer von einem Monat.

Aus den Ergebnissen dieses Verkehrsexperiments sowie dieser Befragung wird die Verwaltung dann eine Vorzugsvariante einschließlich einer Kostenschätzung und einem Umsetzungsfahrplan vorlegen.

Wie erläutert schlägt die Verwaltung zudem vor, die Beschlusslage zur Netzschlusslösung im südöstlichen Abschnitt zu bereinigen.

 


Finanzielle Auswirkungen:

ca. 2.000 € für das Verkehrsexperiment einschließlich der begleitenden Beobachtung und Befragung; interner Personalaufwand für die Erstellung eines dauerhaften Konzepts zur Verkehrsberuhigung

 


Anlagen:

Anlage 1:       Flyer

Anlage 2:       Fragebogen

Anlage 3:       Freitext-Anmerkungen