Beschlussvorschlag:
Der
Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes Nr. 74 „Industriepark I + II“ wird
abgelehnt. Ein Änderungsverfahren wird nicht eingeleitet.
Sachverhalt:
Die
Bewohner einer ehemaligen Hofstelle, die sich heute im Geltungsbereich des
Bebauungsplans Nr. 74 „Industriepark I und II“ befindet, beantragen die
Änderung dieses Bebauungsplanes (Anlage 1). Ziel ist eine Wohnraumerweiterung
des hier befindlichen Wohnhauses. Gegenwärtig ist dies unzulässig, da der
Bebauungsplan diesen Bereich als Industriegebiet ausweist. Hier sind nur
Betriebswohnungen und auch diese nur ausnahmsweise zulässig, nicht jedoch eine
gewöhnliche Wohnnutzung.
Kurzdarstellung
der städtebaulichen Entwicklung an dieser Stelle
Zum
besseren Verständnis des Sachverhalts erfolgt hier ein kurzer Abriss der
Entwicklung an dieser Stelle.
1977 Errichtung
des in Rede stehenden Wohngebäudes als Ersatzwohnhaus für ein ehemals einem
landwirtschaftlichem Betrieb dienendes Wohnhaus
1989 Aufstellung des Bebauungsplanes Nr.
54 „Industriepark I“
1998 Aufhebung
des B-Planes Nr. 54 und Überlagerung durch den Bebauungsplan Nr. 74
„Industriepark I und II“ à in
diesem Verfahren änderte sich an den Festsetzungen für das in Rede stehende
Grundstück nichts Grundlegendes
Städtebauliche
Bewertung
Nicht
ohne Grund sieht der Gesetzgeber Wohnnutzungen in Industriegebieten nicht vor.
Nur Betriebswohnungen, die dann einen geringeren Schutzanspruch haben, sind in
bestimmten Ausnahmesituationen zulässig. Dies dient dem Schutz der Bevölkerung
vor schädlichen Umwelteinflüssen – sei es durch Lärm, Gerüche, Schadstoffe,
Störfälle etc.
Ziel der
Gemeinde sollte es sein, die bestehenden Gewerbe- und Industriegebiete in ihrer
Funktion uneingeschränkt zu erhalten. Eine neue Wohnnutzung würde hingegen
diese Gebiete auf Grund des oben beschriebenen Schutzes vor schädlichen
Umweltauswirkungen einschränken. Eine Aufrechterhaltung der hier zulässigen Abstandsklassen
wäre nicht möglich, da die erweiterte Wohnnutzung ein höheres Schutzbedürfnis
auslösen würde, als dies Betriebswohnungen und die bestehende, auf den
Bestandsschutz beschränkte, Wohnung haben. Eine wie vom Antragsteller
angebotene Verpflichtungserklärung, Einschränkungen durch Gewerbebetriebe
hinzunehmen, ist keine Möglichkeit zur Schaffung einer Ausnahme. Zum Schutz der
Wohnbevölkerung sieht das Baurecht einen solchen Weg nicht vor; der Schutz vor
schädlichen Umwelteinwirkungen ist unabänderlich.
Eine
künftige und damit dauerhafte Einschränkung der benachbarten Gewerbegrundstücke
– einerseits hinsichtlich vorhandener Betriebe, vor allem aber auch
hinsichtlich möglicher geänderter künftiger Nutzungen – sollte nicht akzeptiert
werden. Vielmehr sollte angesichts knapper Gewerbeflächen versucht werden,
bestehende bereits ausgewiesene Gewerbe- und Industriegebiete tatsächlich zu
nutzen. Das Grundstück des Antragstellers sollte sinnvoller Weise künftig einer
gewerblichen oder industriellen Nutzung zugeführt werden.
Die
umliegenden Gewerbebetriebe hätten bei Änderung des Bebauungsplanes einen
Abwehranspruch gegen diese Änderung. Die Kommentierung führt hierzu folgendes
aus:
Der Eigentümer eines
gewerblichen Vorhabens im durch B-Plan festgesetzten Industriegebiet hat kraft
Bundesrecht einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines im Industriegebiet
seiner Art nach nicht zulässigen Vorhabens, unabhängig davon, ob er durch diese
baugebietswidrigen Vorhaben tatsächlich spürbare und nachweisbare Beeinträchtigungen
erleidet. [...] Die klagenden Nachbarn haben nach der neueren Lehre zum
Gebietserhaltungsanspruch im öffentlichen Nachbarrecht einen Rechtsanspruch
dahingehend, die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren
Vorhabens abzuwehren, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis
gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird. Das BVerwG ist dem
Einwand der Nachbarschutz könne hier entfallen, weil eine
schutzniveauverschlechternde Entwicklung gar nicht eintreten könne, zu Recht
nicht gefolgt. Der gleiche Schutzanspruch der Gewerbebetriebe in GI-Gebieten
besteht gegenüber der Festsetzung insbes. von Wohnbaugebieten nach den §§ 2-4
in einer solchen Entfernung von dem berührten GI-Gebiet, dass die
störempfindlichen Nutzungen der Wohngebiete mit nach der Eigenart des
Baugebietes unzumutbaren Belästigungen und Störungen insbes. der Wohnruhe
rechnen müssen.
Aus:
Fickert/Fieseler 2002 Baunutzungsverordnung S. 722
In der
Folge müsste die Änderung des Bebauungsplanes ggf. zurückgenommen oder ein
Planungsschaden von der Gemeinde ausgeglichen werden.
Die
Verwaltung empfiehlt daher, den Antrag abzulehnen. Stattdessen sollte der
Eigentümer dahingehend beraten werden, wie das Grundstück gewerblich genutzt
werden kann und wo in der Gemeinde ersatzweise Wohnbaugrund besteht.
Finanzielle Auswirkungen:
keine
Anlagen:
Anlage 1: Antrag
Anlage 2: Übersichtskarte